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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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andere Beweggründe als Erweckungsinteresse und christliche Verbundenheit, denn es war Loyals Bruder Dolphus gewesen, der diesen Besuch von seiner Gefängniszelle aus eingefädelt hatte. Seit Dolphus’ alter Kurier im vergangenen Februar wegen eines ausstehenden Haftbefehls hochgenommen worden war, hatte keine Amphetaminlieferung das Labor mehr verlassen. Danny hatte sich erboten, die Drogen selbst nach Kentucky hinaufzufahren, aber Dolphus wollte nicht, dass irgendjemand in sein Vertriebsgebiet einrückte (eine begründete Sorge für einen Mann hinter Gittern), und außerdem: Warum sollte man einen Kurier engagieren, wenn er einen kleinen Bruder namens Loyal hatte, der den Stoff kostenlos hochbringen konnte? Loyal war natürlich nicht eingeweiht, denn Loyal war ein frommer Mann und würde nicht wissentlich mit den Plänen kooperieren, die Dolphus im Gefängnis ausgeheckt hatte. Er hatte an einer Erweckungsveranstaltung in East Tennessee teilzunehmen, und nach Alexandria fuhr er, um Dolphus einen Gefallen zu tun, da dessen alter Freund Farish einen Bruder hatte (Eugene), der bei seinen ersten Schritten im Erweckungsgeschäft Hilfe brauchte. Mehr wusste Loyal nicht.
Und wenn er in aller Unschuld wieder nach Kentucky zurückführe, würde er, ohne es zu ahnen, neben seinen Reptilien eine Anzahl gut verpackter Bündel transportieren, die Farish im Motorraum des Pick-ups versteckt hätte.
    »Was ich nicht kapiere«, sagte Danny und starrte dabei in den Kiefernwald, der sich dunkel um ihre staubige kleine Lichtung drängte, »ist, wieso sie überhaupt mit den Viechern herumspielen? Werden sie nicht gebissen?«
    »Doch, andauernd.« Farish warf angriffslustig den Kopf zurück. »Geh nur rein und frag Eugene. Er wird dir bestimmt mehr erzählen, als du je wissen wolltest.« Sein Motorradstiefel wippte rasend schnell auf und ab. »Wenn du mit ’ner Schlange rumfummelst und sie beißt dich nicht, ist das ein Wunder. Und wenn du mit ihr rumfummelst und sie beißt dich doch, ist das auch ein Wunder.«
    »Von’ner Schlange gebissen werden, das ist doch kein Wunder.«
    »Ist es wohl, wenn du nicht zum Arzt gehst, sondern dich bloß am Boden rumwälzt und Jesus rufst. Und am Leben bleibst.«
    »Und wenn du stirbst?«
    »Ist es auch ein Wunder. Dann fährst du in den Himmel auf, weil du die Zeichen angenommen hast.«
    Danny schnaubte. »Na, verflucht«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn alles ein Wunder ist, was für’n Sinn hat das alles dann?« Der Himmel über den Kiefern war strahlend blau und spiegelte sich blau in den Pfützen auf der Erde, und Danny war high und okay und einundzwanzig. Vielleicht würde er in den Wagen hopsen und rüber zum »Black Door« fahren, vielleicht auch einen kleinen Trip zum Stausee machen.
    »Die werden ein ganzes Nest voller Wunder finden, wenn sie da in den Busch gehen und einen oder zwei Steine umdrehen«, sagte Farish missmutig.
    Danny lachte. »Ich sag dir, was’n Wunder wäre: wenn Eugene mit ’ner Schlange rumspielt.« Mit Eugenes Predigten war es nicht weit her; all seiner religiösen Inbrunst zum Trotz waren
sie seltsam flach und hölzern. Von Curtis abgesehen, der jedes Mal, wenn er dabei war, nach vorn galoppiert kam, um sich retten zu lassen, hatte er, soweit Danny wusste, keine einzige Seele bekehrt.
    »Wenn du mich fragst, wirst du nie erleben, dass Eugene mit ’ner Schlange rumspielt. Eugene spießt nicht mal ’n Wurm auf’n Angelhaken. Sag mal, Bruder«, Farish, den Blick starr auf die Krüppelkiefern jenseits der Lichtung gerichtet, nickte energisch, als wolle er das Thema wechseln, »was hältst du von der großen weißen Klapperschlange, die gestern hier angekrochen ist?«
    Er meinte das Meth – die Charge, die er gerade fertig gestellt hatte. Danny glaubte wenigstens, dass er es meinte. Oft war es schwer zu sagen, wovon Farish gerade redete, vor allem wenn er high oder betrunken war.
    »Na?« Farish blickte zu ihm auf, ziemlich ruckhaft, und zwinkerte, nur ein Zucken des Augenlids, beinahe unmerklich.
    »Nicht schlecht«, sagte Danny vorsichtig, und er hob den Kopf auf eine Weise, die sich lässig anfühlte, und schaute in die entgegengesetzte Richtung, völlig cool. Farish konnte leicht explodieren, wenn jemand wagte, ihn misszuverstehen, auch wenn die meisten Leute oft genug keine Ahnung hatten, wovon er sprach.
    »Nicht schlecht.« Farishs Gesichtsausdruck konnte man so oder so deuten, aber dann schüttelte er nur den Kopf. »Reinstes

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