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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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und sein Bruder sahen einander an, und dann stürzte Danny zur Treppe. Eugene – so erschrocken, dass er sich nicht rühren, sondern nur an Mr. Dial denken konnte (denn wenn Mr. Dial und der Sheriff bei diesem Geheul nicht aufkreuzen würden, dann überhaupt nie) – strich sich mit der Hand über den Mund. Hinter sich hörte er klatschende Schritte auf dem Gehweg. Als er sich umdrehte, sah er, wie das Mädchen wegrannte.
    »Mädchen!«, rief er ihr nach. »Hey du, Mädchen!« Er wollte ihr nachlaufen, als oben ein Fenster krachend hochfuhr und
eine Schlange heraussegelte. Ihr Bauch schimmerte weiß vor dem Nachthimmel.
    Eugene machte einen Satz rückwärts. Er war zu erschrocken, um aufzuschreien. Obwohl das Ding in der Mitte platt getrampelt und der Kopf ein blutiger Brei war, zuckte und flippte es krampfartig im Gras.
    Loyal Reese stand plötzlich hinter ihm. »Das ist nicht recht«, sagte er zu Eugene und schaute auf die tote Schlange hinunter, aber schon kam Farish wieder die Treppe heruntergestürmt, die Fäuste geballt und Mordlust im Blick, und bevor Loyal, der mit den Lidern klapperte wie ein Baby, noch ein Wort hervorbringen konnte, hatte Farish ihn herumgerissen und ihm einen Fausthieb auf den Mund verpasst, dass er taumelte.
    »Für wen arbeitest du?«, brüllte Farish.
    Loyal wich zurück und öffnete den Mund, aus dem ein dünnes Rinnsal Blut lief, und als nach einem oder zwei Augenblicken immer noch kein Wort herauskam, warf Farish einen kurzen Blick über die Schulter und schlug ihn dann noch einmal. Diesmal ging Loyal zu Boden.
    »Wer hat dich geschickt?«, kreischte Farish, packte ihn beim Hemd und riss ihn wieder auf die Beine. »Wessen Idee war das? Du und Dolphus, ihr habt wohl gedacht, ihr könnt mich verarschen und ein bisschen schnelle Kohle machen, aber da habt ihr den Falschen verarscht ...«
    »Farish«, rief Danny, der kalkweiß die Treppe herunterkam, immer zwei Stufen auf einmal. »Hast du den .38er im Laster?«
    »Moment«, rief Eugene voller Panik – Waffen in Mr. Dials Apartment? Eine Leiche? »Ihr seht das ganz falsch.« Er fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. »Beruhigt euch doch.«
    Farish stieß Loyal zu Boden. »Ich hab die ganze Nacht Zeit«, sagte er. »Motherfucker. Bescheißt du mich, schlag ich dir die Zähne aus und puste dir ein Loch in die Brust.«
    Danny packte Farish beim Arm. »Lass ihn, Farish, komm. Wir brauchen die Knarre oben.«
    Loyal, der auf dem Boden lag, richtete sich auf den Ellenbogen auf. »Sind sie rausgekommen?«, fragte er, und seine Stimme
war von einem so unschuldigen Erstaunen erfüllt, dass sogar Farish innehielt.
    Danny taumelte in seinen Motorradstiefeln zurück und wischte sich mit einem schmutzigen Unterarm über das Gesicht. Er sah schockiert aus, als habe soeben eine Bombe eingeschlagen. »Die ganze beschissene Bude ist voll«, sagte er.
     
    »Eine fehlt noch«, sagte Loyal zehn Minuten später und wischte sich mit der Faust die blutig rote Spucke vom Mund. Sein linkes Auge war violett und bis auf einen schmalen Schlitz zugeschwollen.
    »Ich rieche was Komisches«, sagte Danny. Die Bude stinkt nach Pisse. Riechst du das, Gene?«
    »Da ist sie«, schrie Farish plötzlich und stürzte sich auf ein totes Heizungsgitter, aus dem ein fünfzehn Zentimeter langes Stück Schlangenschwanz herausragte.
    Der Schwanz zuckte einmal und verschwand mit einem Abschiedsrasseln wie eine Peitschenschnur durch das Gitter.
    »Hör auf«, sagte Loyal zu Farish, der mit seinem Motorradstiefel dröhnend gegen das Heizungsgitter trat. Er lief zu dem Gitter und beugte sich furchtlos hinunter (Eugene und Danny wichen zurück, und sogar Farish hörte mit seinem Getanze auf und ging beiseite). Loyal spitzte die Lippen und gab einen gespenstischen, durchdringenden kleinen Pfiff von sich: iiiiiiiii. Es klang wie eine Kreuzung aus einem Teekessel und dem Geräusch, das entsteht, wenn man mit einem nassen Finger über einen Luftballon reibt.
    Stille. Loyal schürzte die blutig geschwollenen Lippen noch einmal – iiiiiiiii, ein Pfeifen, bei dem sich einem die Nackenhaare sträubten. Dann legte er das Ohr an den Boden und lauschte. Nachdem es volle fünf Minuten still geblieben war, rappelte er sich mühsam auf und rieb sich mit den Handflächen über die Schenkel.
    »Sie ist weg«, gab er bekannt.
    »Weg?«, rief Eugene. »Wohin?«
    Loyal wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Nach unten in die andere Wohnung«, sagte er düster.
    »Du solltest im

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