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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Karre vom Randstein auf die Straße. Ein Strandlaken, das er von zu Hause mitgebracht hatte, war über die Kiste drapiert. »Ich füttere dieses Ding mit keinem Frosch«, erklärte er.
    Seine Vermutung war richtig gewesen: Das Mormonenhaus war leer. Es war nur eine Ahnung gewesen, weiter nichts, aber sie basierte auf der Überzeugung, dass er persönlich die Nacht lieber eingesperrt in einem Kofferraum verbringen würde als in einem Haus, in dem Klapperschlangen frei herumkrochen. Er hatte Harriet immer noch nicht erzählt, was er getan hatte, aber er hatte hinreichend über seine Tat gegrübelt, um seine Unschuld rechtfertigen zu können. Er ahnte nicht, dass die Mormonen in diesem Augenblick in einem Zimmer im Holiday Inn saßen und mit einem Immobilienrechtsanwalt in Salt Lake darüber sprachen, ob die Anwesenheit giftigen Ungeziefers in einer Mietwohnung einen Bruch des Mietvertrags darstellte.
    Hely hoffte, dass niemand vorbeifahren und sie sehen würde. Er und Harriet waren vorgeblich im Kino; sein Vater hatte ihnen das Geld dafür gegeben. Harriet hatte den ganzen Nachmittag bei Hely zu Hause zugebracht, was eigentlich nicht ihre Art war (normalerweise hatte sie irgendwann genug von ihm und ging früh nach Hause, auch wenn er sie anflehte, noch zu bleiben). Sie hatten stundenlang im Schneidersitz in Helys Zimmer auf dem Boden gesessen und Flohhüpfen gespielt, und dabei hatten sie sich leise über die gestohlene Kobra unterhalten und überlegt, was sie damit anfangen sollten. Die Kiste war zu groß, um sie bei Harriet oder bei ihm auf dem Grundstück zu
verstecken. Schließlich hatten sie sich für eine nie fertig gestellte Straßenüberführung westlich der Stadt entschieden, die sich außerhalb der Stadtgrenze über ein besonders trostloses Stück der County Line Road spannte.
    Die Dynamitkiste unter dem Haus hervorzuziehen und sie auf Helys rote Kinderkarre zu laden war einfacher gewesen als erwartet. Sie hatten keine Menschenseele zu Gesicht bekommen. Der Abend war diesig und schwül, und in der stillen Ferne grollte Donner. Die Leute hatten die Polster von ihren Gartenmöbeln genommen, die Rasensprenger abgedreht und ihre Katzen ins Haus geholt.
    Sie rumpelten den Gehweg hinunter. Es waren nur zwei Blocks auf offenen Gehwegen die High Street hinauf bis zum Eisenbahndepot, und je weiter nach Osten sie kamen – zum Güterbahnhof und zum Fluss – desto weniger Lichter sahen sie. Hohes Unkraut raschelte in vernachlässigten Vorgärten, und darin standen Tafeln mit der Aufschrift ZU VERKAUFEN oder BETRETEN VERBOTEN.
    Pro Tag hielten nur zwei Personenzüge im Bahnhof von Alexandria. Morgens um 7 Uhr 14 hielt der »City of New Orleans« auf dem Heimweg von Chicago, abends um 20 Uhr 47 kam er zurück, und in der übrigen Zeit lag der Bahnhof verlassen da. Das wacklige kleine Fahrkartenhäuschen mit seinem spitzen Teerdach und der abblätternden Farbe war dunkel; erst in einer Stunde würde der Kartenverkäufer kommen und es öff nen. Dahinter verband ein Gewirr von unbenutzten Schotterstraßen den Rangierbahnhof mit dem Güterbahnhof und den Güterbahnhof mit der Baumwollkämmerei und dem Sägewerk und dem Fluss.
    Hely und Harriet machten Halt, um die Karre vom Gehweg auf den Schotter hinunterzubugsieren. Hunde bellten, große Hunde, aber weit weg. Südlich des Depots sah man die Lichter des Holzplatzes und weiter hinten die freundlichen Straßenlaternen ihrer eigenen Wohngegend. Sie wandten diesem letzten Schimmer der Zivilisation den Rücken zu und machten sich entschlossen auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung – in die äußere Dunkelheit, in die weiten, flachen, unbewohnten
Einöden, die sich nach Norden erstreckten, vorbei am ausgestorbenen Güterbahnhof mit seinen offenen Güterwagen und leeren Baumwollwaggons, auf einen schmalen Kiesweg zu, der im schwarzen Kiefernwald verschwand.
    Hely und Harriet hatten schon an dieser verlassenen Straße gespielt, die zu dem stillgelegten Baumwollschuppen führte, allerdings nicht oft. Der Wald war still und Furcht erregend, und selbst am helllichten Tag war es auf dem Weg, der vom Dickicht zu einem schmalen Pfad zusammengepresst war, immer düster unter dem von Ranken erstickten Laubdach der Götterbäume, verkrüppelten Amberbäume und Kiefern. Die Luft war feucht und ungesund und sirrte von Moskitos, und nur selten unterbrach etwas die Stille: das unvermittelte Rascheln eines Kaninchens im Gestrüpp oder das raue Krächzen eines unsichtbaren Vogels. Vor

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