Der kleine Freund: Roman (German Edition)
die Arme – in seinem braunen Overall sah er aus wie ein Soldat – und plötzlich starrte er Danny auf eine Weise von der Seite an, die Danny nicht gefiel.
»Du würdest Gum doch nichts antun, oder?«, fragte Farish.
Danny sah ihn fassungslos an. »Nein!« Der Schrecken verschlug ihm fast die Sprache. »Mann!«
»Sie ist alt.«
»Das weiß ich!« Aggressiv schleuderte Danny sich die langen Haare aus dem Gesicht.
»Ich überlege nur, wer sonst noch wusste, dass sie und nicht du an dem Tag mit dem TransAm unterwegs war.«
Danny war verdattert. »Wieso denn?« Das gleißende Licht über dem Highway schien ihm in die Augen und vergrößerte seine Verwirrung. »Wieso kommt’s darauf an? Sie hat bloß gesagt, sie klettert nicht gern in den Truck. Das hab ich dir erzählt. Frag sie selbst.«
»Oder mir.«
»Was?«
»Oder mir.« Farish atmete hörbar, in feuchten kleinen Schnaufern. »Du würdest mir doch nichts antun, oder?«
»Nein«, sagte Danny nach einer langen, angespannten Pause, und seine Stimme klang so ausdruckslos, wie es nur ging. Was er gern gesagt hätte, aber nicht zu sagen wagte, war: Fuck you. Er verbrachte genauso viel Zeit wie Farish mit dem Drogengeschäft, erledigte Besorgungen, arbeitete im Labor – ja, verdammt, er musste ihn sogar überall hinfahren –, aber Farish zahlte ihm keineswegs den gleichen Anteil wie sich selbst, im Gegenteil: Er bezahlte ihm einen Scheißdreck und warf ihn
nur hin und wieder mal einen Zehner oder einen Zwanziger hin. Gut, eine Zeit lang war es um Längen besser gewesen als ein normaler Job. Tagelang bloß Billard spielen oder Farish mit dem Wagen durch die Gegend fahren, Musik hören, die ganze Nacht aufbleiben, kurzum Spaß und Spiele, und so viel Stoff, wie er haben wollte. Aber jeden Morgen die Sonne aufgehen zu sehen, das wurde allmählich ein bisschen unheimlich und monoton, und in letzter Zeit war es regelrecht beängstigend. Er hatte dieses Leben satt, hatte das Highsein satt – aber würde Farish ihm bezahlen, was er ihm schuldete, damit er die Stadt verlassen und irgendwo hingehen konnte, wo niemand ihn kannte (hier hatte man keine großen Chancen, wenn man mit Nachnamen Ratliff hieß), um sich zur Abwechslung einen anständigen Job zu suchen? Nein. Warum sollte Farish ihn bezahlen? Er machte ein gutes Geschäft mit seinem Sklaven.
»Finde das Mädchen«, sagte Farish abrupt. »Das hat für dich jetzt oberste Priorität. Ich will, dass du das Mädchen findest und dass du rauskriegst, was sie über diese Sache weiß. Und wenn du ihr den beschissenen Hals umdrehen musst.«
»Sie hat das koloniale Williamsburg schon gesehen, und ihr ist es egal, ob ich es sehe oder nicht«, sagte Adelaide, und sie drehte sich schmollend um und schaute aus dem Rückfenster.
Edie atmete tief durch die Nase. Die Autofahrt mit Harriet ins Camp hatte ihr eigentlich schon gereicht. Wegen Libby (die zweimal hatte zurückfahren müssen, um sich zu vergewissern, dass sie alles abgestellt hatte) und wegen Adelaide (die sie im Wagen hatte warten lassen, während sie noch rasch ein Kleid bügelte, das sie in letzter Minute doch noch mitnehmen wollte) und wegen Tat (die gewartet hatte, bis sie halb zur Stadt hinaus waren, ehe ihr einfiel, dass sie ihre Uhr neben der Spüle hatte liegen lassen) – wegen einer Desorganisation, die selbst in einer Heiligen den Satan zum Vorschein bringen konnte, waren sie jetzt schon mit zwei Stunden Verspätung unterwegs, und auf einmal (noch ehe sie die Stadt hinter sich
gelassen hatten) verlangte Adelaide, dass sie einen Umweg durch einen anderen Staat machten.
»Oh, mit Virginia werden wir nichts verpassen; wir werden doch so viel zu sehen bekommen«, sagte Tat – geschminkt, frisch nach Lavendelseife, Haarspray und Souvenez-vous?- Toilettenwasser duftend – und wühlte in ihrer gelben Handtasche nach ihrem Asthma-Inhalator. »Obwohl es schade ist... wenn wir schon mal so weit oben sind ...«
Adelaide fing an, sich mit einer Nummer von Mississippi Byways, die sie mitgebracht hatte, um sie im Wagen zu lesen, Luft zuzufächeln.
»Wenn ihr da hinten nicht genug Luft bekommt«, sagte Edie, »warum dreht ihr dann nicht die Fenster ein Stückchen herunter?«
»Weil ich mir die Haare nicht durcheinander bringen möchte. Ich hab sie gerade erst machen lassen.«
»Na«, sagte Tat und beugte sich herüber, »ein ganz kleiner Spalt...«
»Nicht! Stopp! Das ist die Tür!«
»Nein, Adelaide, das ist die Tür. Das ist das
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