Der kleine Freund: Roman (German Edition)
Fenster.«
»Bitte mach dir keine Mühe. Mir gefällt es so.«
»Ich an deiner Stelle«, sagte Edie, »würde mir nicht allzu viele Sorgen um meine Frisur machen, Addie. Es wird dir ziemlich heiß werden da hinten.«
»Na, solange all die anderen Fenster offen sind«, sagte Adelaide steif, »werde ich schon genügend durchgepustet.«
Tat lachte. »Also, mein Fenster mache ich nicht zu.«
»Gut«, sagte Adelaide spröde, »und meins mache ich nicht auf.«
Libby, die vorn neben Edie saß, gab einen schläfrig-nervösen Laut von sich, als könne sie sich nicht recht entspannen. Ihr puderduftendes zartes Eau de Cologne war nicht aufdringlich, aber im Verein mit der Hitze und den machtvollen, asiatischen Wolken von Shalimar und Souvenez-vous?, die hinten waberten, bewirkte es, dass Edie allmählich die Nebenhöhlen zuschwollen.
Plötzlich quiekte Tat. »Wo ist meine Handtasche?«
»Was? Was?«, fragten alle gleichzeitig.
»Ich finde meine Handtasche nicht!«
»Edie, du musst umdrehen«, sagte Libby. »Sie hat ihre Handtasche vergessen.«
»Ich habe meine Handtasche nicht vergessen ! Ich hatte sie eben noch!«
»Ich kann hier nicht mitten auf der Straße einfach umdrehen«, sagte Edie.
»Wo kann sie denn sein? Ich hatte sie doch eben noch! Ich...«
»Oh, Tatty!« Adelaide lachte fröhlich. »Da ist sie doch! Du sitzt drauf.«
»Was hat sie gesagt? Hat sie sie gefunden?« Panisch schaute Libby hin und her. »Hast du deine Handtasche gefunden, Tat?«
»Ja, ich hab sie.«
»Oh, Gott sei Dank. Die Handtasche darf man nicht verlieren. Was machst du, wenn du deine Handtasche verlierst?«
Als habe sie eine Radiodurchsage zu machen, verkündete Adelaide: »Das erinnert mich an dieses verrückte Wochenende am vierten Juli, als wir nach Natchez hinuntergefahren sind. Das werde ich nie vergessen.«
»Ich werde es auch nicht vergessen«, sagte Edie. Es war in den fünfziger Jahren gewesen, bevor Adelaide das Rauchen aufgegeben hatte; Adelaide – ins Reden vertieft – hatte den Aschenbecher in Brand gesetzt, während Edie auf dem Highway entlangfuhr.
»Meine Güte, was war das für eine lange und heiße Autofahrt.«
»Ja, zumindest meine Hand fühlte sich ziemlich heiß an«, sagte Edie schnippisch. Ein rot glühender Tropfen geschmolzenes Plastik – Zellophan von Adelaides Zigarettenschachtel – war an ihrem Handrücken kleben geblieben, als sie versuchte, die Flammen auszuschlagen und gleichzeitig den Wagen zu fahren (Addie hatte nichts weiter getan, als quiekend auf dem Beifahrersitz herumzuzappeln). Es war eine hässliche Verbrennung gewesen, die eine Narbe hinterlassen hatte, und vor Schmerz und Schrecken wäre Edie beinahe von der Straße abgekommen. Danach war sie zweihundert Meilen weit durch
die Augusthitze gefahren und hatte die rechte Hand in einen Pappbecher mit Eiswasser gehalten, während ihr die Tränen über das Gesicht strömten und Adelaide den ganzen Weg quengelte und nörgelte.
»Und damals im August, als wir alle nach New Orleans gefahren sind?« Adelaides Hand machte eine komische Flatterbewegung vor ihrer Brust. »Ich dachte, ich sterbe am Hitzschlag, Edith. Ich dachte, du schaust herüber auf den Beifahrersitz und siehst, dass ich gestorben bin.«
Du! dachte Edie. Mit deinem geschlossenen Fenster! Wessen Schuld war denn das?
»Ja!«, sagte Tat. »Was für eine Reise! Und das war ...«
»Du warst gar nicht dabei.«
»Doch, das war ich!«
»Das war sie wirklich. Ich werde es nie vergessen«, sagte Adelaide herrisch.
»Weißt du nicht mehr, Edith? Das war die Reise, wo du in Jackson ins McDonald’s Drive-In gefahren bist und versucht hast, dem Mülleimer auf dem Parkplatz unsere Bestellung aufzugeben.«
Perlendes Gelächter voller Heiterkeit. Edie knirschte mit den Zähnen und konzentrierte sich auf die Straße.
»Oh, was sind wir doch für ein paar verrückte alte Ladys«, sagte Tat. »Was müssen die Leute über uns gedacht haben?«
»Ich hoffe bloß, ich habe an alles gedacht«, murmelte Libby. »Letzte Nacht hab ich plötzlich gedacht, dass ich meine Strümpfe zu Hause gelassen und dass ich mein ganzes Geld verloren habe ...«
»Ich wette, du hast kein Auge zugetan, nicht wahr, Liebes?« Tat beugte sich nach vorn und legte die Hand auf Libbys schmale kleine Schulter.
»Unsinn! Mir geht es wunderbar! Ich bin...«
»Du weißt, dass sie nicht geschlafen hat!«, sagte Adelaide. »Hat sich die ganze Nacht Sorgen gemacht! Was du brauchst, ist ein Frühstück.«
»Also,
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