Der kleine Freund: Roman (German Edition)
Sable, der kleinere der beiden Hunde, hing mit den Pfoten über der Lehne des Beifahrersitzes und versuchte, mit strampelnden Hinterbeinen darüber hinweg und seinem Herrn auf den Kopf zu klettern. Der Drecksköter namens Van Zant war vom Rücksitz nach vorn gesprungen. Mit gesenkter Nase drehte er sich zweimal um sich selbst, dann noch einmal in die andere Richtung, und dann senkte er den Hintern auf den Fahrersitz, die schwarzen Ohren steil aufgerichtet – wie ein Teufel. Einen Moment lang funkelte er Danny mit seinen Wolfsaugen an, und dann fing er an zu bellen: ein kurzes, scharfes Kläffen, klar und weithin hallend.
Der Alarm war so unüberhörbar, als schreie er: »Feuer! Feuer!« Danny wich zurück. Das dünne Knallen der Pistole hatte Scharen von Vögeln auffliegen lassen wie ein Schrapnell. Jetzt kamen sie wieder herunter, landeten auf den Bäumen, auf dem Boden. Überall in seinem Wagen war Blut: Blut auf der Frontscheibe, auf dem Armaturenbrett, am Beifahrerfenster.
Ich hätte frühstücken sollen, dachte er hysterisch. Wann hab ich zuletzt gegessen?
Und bei diesem Gedanken wurde ihm bewusst, dass er urinieren musste, und zwar ganz dringend, schon seit er heute Morgen aufgewacht war.
Eine wunderbare Erleichterung senkte sich auf ihn herab und sickerte in seinen Blutkreislauf Es ist alles okay, dachte er und zog seinen Reißverschluss auf, und dann ...
Sein schönes Auto. Sein Auto. Vor wenigen Augenblicken noch war es ein Prachtstück gewesen, eine Schönheit, und jetzt war es ein Tatort aus True Detective. Die Hunde darin sprangen wie rasend hin und her. Farish lag zusammengesunken und mit dem Gesicht nach unten auf dem Armaturenbrett. Seine Haltung wirkte merkwürdig entspannt und natürlich; man hätte denken können, er beuge sich hinunter, um einen herabgefallenen Schlüssel aufzuheben, wenn da nicht diese große Blutlache gewesen wäre, die sich unter seinem Kopf ausbreitete und langsam auf den Boden tröpfelte. Die ganze Frontscheibe war mit Blut bespritzt – dicke, dunkle, glänzende Tropfen, die am Glas klebten wie ein großer Strauß Stechpalmenbeeren im Blumenladen. Auf dem Rücksitz sprang Sable hin und her und schlug mit dem Schwanz gegen die Scheiben. Van Zant saß neben ihrem Herrn und stieß ihn immer wieder an, in schnell aufeinander folgenden Finten: stupste mit der Nase gegen seine Wange, wich zurück, sprang wieder vor und stupste ihn wieder, und sie bellte, bellte, ein kurzes, durchdringendes Kläffen – sie war ein Hund, verdammt, aber dieses scharfe, drängende Gekläff war so unmissverständlich, als würde jemand mit lauter Stimme um Hilfe schreien.
Danny rieb sich das Kinn und sah sich gehetzt um. Was immer ihn geritten hatte abzudrücken, war verflogen, aber seine Probleme hatten sich vervielfacht und verfinsterten die Sonne. Warum um alles in der Welt hatte er Farish im Wagen erschossen? Hätte er sich doch nur noch zwei Sekunden zurückgehalten. Aber nein: Er hatte es nicht erwarten können, die Sache hinter sich zu bringen, hatte wie ein Idiot drauf gebrannt,
abzudrücken und loszuballern, statt auf den richtigen Augenblick zu warten.
Er krümmte sich zusammen und stemmte die Hände auf die Knie. Ihm war schlecht, und er fühlte sich klamm; sein Herz hämmerte, und er hatte seit Wochen nichts Richtiges mehr gegessen. Der harte Adrenalinstoß war versickert, und mit ihm das bisschen Kraft, das er noch gehabt hatte, und sein sehnlichster Wunsch war es, sich auf den warmen grünen Boden zu legen und die Augen zuzumachen.
Wie hypnotisiert starrte er den Boden an; dann schüttelte er sich und richtete sich wieder auf. Jetzt eine Nase, und er wäre gleich wieder okay – eine Nase, o Gott, bei dem bloßen Gedanken fingen seine Augen an zu tränen –, aber er war zu Hause weggefahren, ohne etwas mitzunehmen, und jetzt die Wagentür aufzumachen und an Farishs Leiche herumzuwühlen und die Reißverschlusstaschen an diesem dreckigen alten, beschissenen UPS-Overall auf- und zuzumachen – das war das Letzte auf der Welt, wozu er Lust hatte.
Er hinkte um den Wagen herum nach vorn. Van Zant wollte ihn anspringen, und ihre Schnauze prallte mit solchem Krachen gegen die Windschutzscheibe, dass er zurücktaumelte.
Inmitten des ohrenbetäubenden Gebells blieb er einen Moment lang mit geschlossenen Augen stehen. Er atmete flach und versuchte, seine Nerven zu beruhigen. Er wollte nicht hier sein, aber er war hier. Und er musste jetzt anfangen nachzudenken und es langsam
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