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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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gehalten, wenn man bedenkt, unter welch schrecklichen Umständen sie arbeiten mussten, doch es ist schwer, sie so töten zu müssen...«
    »Sie soll aufhören!«, heulte Allison auf dem Boden und presste sich die Hände auf die Ohren.
    »Sei still, Harriet«, sagte Edie.
    »Aber...«
    »Kein aber. Allison«, fuhr sie in scharfem Ton fort, »steh jetzt vom Boden auf. Mit Weinen wirst du dem Kater nicht helfen.«
    »Ich bin die Einzige hier, die Weenie liebt. Allen andern ist er ega-ha-hal.«
    »Allison. Allison . Einmal«, sagte Edie und griff nach dem Buttermesser, »hat euer Bruder eine Kröte gefunden und zu mir gebracht. Der Rasenmäher hatte ihr ein Bein abgeschnitten.«
    Die Schreie, die daraufhin vom Küchenboden ertönten, waren so schrill, dass Edie glaubte, sie würden ihr den Kopf spalten, aber sie strich weiter Butter auf ihren Toast – der inzwischen kalt geworden war – und redete unbeirrt weiter. »Robin wollte, dass ich sie heile. Aber das konnte ich nicht. Ich konnte für das arme Ding nichts tun, außer es zu töten. Robin verstand nicht, dass es manchmal, wenn ein Geschöpf so leiden muss, am barmherzigsten ist, wenn man es von seinem Elend erlöst. Er hat geweint und geweint. Ich konnte ihm nicht begreiflich machen, dass die Kröte tot besser dran war als mit solchen schrecklichen Schmerzen. Natürlich war er viel kleiner als du heute.«
    Dieser kleine Monolog hatte keine Wirkung auf die Person, an die er gerichtet war, aber als Edie aufblickte, nahm sie mit leisem Ärger zur Kenntnis, dass Harriet sie mit offenem Mund anstarrte.
    »Wie hast du sie getötet, Edie?«
    »So barmherzig, wie es ging«, sagte Edie knapp. Sie hatte der Kröte mit einer Hacke den Kopf abgeschlagen – und überdies war sie unbedacht genug gewesen, es vor Robins Augen zu tun, was ihr Leid tat –, aber sie hatte nicht vor, darauf näher einzugehen.
    »Hast du draufgetreten?«
    »Niemand hört auf mich«, platzte Allison plötzlich heraus. »Mrs. Fountain hat Weenie vergiftet. Ich weiß es. Sie hat gesagt, sie wollte ihn umbringen. Er ist immer in ihren Garten hinübergegangen und hat Pfotenabdrücke auf der Windschutzscheibe ihres Autos hinterlassen.«
    Edie seufzte. Das alles hatten sie schon einmal durchgehechelt. »Ich kann Grace Fountain genauso wenig leiden wie du«, sagte sie. »Sie ist eine boshafte alte Krähe, und sie steckt ihre Nase in alles. Aber du kannst mich nicht davon überzeugen, dass sie die Katze vergiftet hat.«
    »Ich weiß, dass sie es getan hat. Ich hasse sie.«
    »Es tut dir nicht gut, so zu denken.«
    »Sie hat Recht, Allison«, sagte Harriet unvermittelt. »Ich glaube auch nicht, dass Mrs. Fountain Weenie vergiftet hat.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Edie und sah Harriet an; diese unerwartete Zustimmung kam ihr verdächtig vor.
    »Ich meine, wenn sie es getan hätte, wüsste ich, glaube ich, davon.«
    »Und woher willst du so etwas wissen?«
    »Mach dir keine Sorgen, Allison. Ich glaube nicht, dass sie ihn vergiftet hat. Aber wenn sie es doch getan hat«, sagte Harriet und wandte sich wieder ihrem Buch zu, »wird es ihr noch Leid tun.«
    Edie hatte nicht die Absicht, diese Äußerung einfach so hinzunehmen, und wollte eben nachsetzen, als Allison von neuem losschrie, lauter als zuvor.
    »Mir ist egal, wer es getan hat«, schluchzte sie und bohrte sich die Handballen heftig in die Augen. »Warum muss Weenie sterben? Warum mussten all diese armen Leute erfrieren? Warum ist immer alles nur so furchtbar?«
    »Weil die Welt so ist«, sagte Edie.
    »Dann ist die Welt zum Kotzen.«
    »Allison, hör auf.«
    »Nein. Ich werde nie aufhören, das zu denken.«
    »Na, das ist eine sehr unreife Einstellung«, sagte Edie. »Die Welt zu hassen. Der Welt ist das egal.«
    »Ich werde sie für den Rest meines Lebens hassen. Ich werde nie aufhören, sie zu hassen.«
    »Scott und seine Männer waren sehr tapfer, Allison«, sagte Harriet. »Selbst als sie starben. Hör zu. ›Wir sind in einem verzweifelten Zustand – Füße erfroren etc. Kein Brennstoff, längst nichts mehr zu essen, aber es würde eurem Herzen wohl tun, in unserem Zelt zu sein, unsere Lieder zu hören und unsere fröhlichen Gespräche ... ‹«
    Edie stand auf. »Das reicht«, sagte sie. »Ich bringe den Kater zu Dr. Clark. Ihr Mädchen bleibt hier.« Ungerührt fing sie an, die Teller zusammenzustellen, ohne die neuerlichen Schreie vom Boden zu ihren Füßen zu beachten.
    »Nein, Edie«, sagte Harriet und schob geräuschvoll ihren Stuhl

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