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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Schwerfälliges an sich: pokergesichtig, aufgeblasen, und sie lachte nie. Allison (die jetzt, wo sie auf der High School war, einen niedlichen Gang entwickelte; neulich hatte Pem sich auf der Straße nach ihr umgedreht, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wer sie war) umgab ein heiteres Flattern von Robins Geist, aber Harriet hatte beim besten Willen nichts Niedliches oder Heiteres an sich. Harriet war eine Fehlkonstruktion.
    »Ich glaube, du hast zu viel Nancy Drew gelesen, Sweetie«, sagte er. »Das ganze Zeug ist passiert, bevor Hely auch nur geboren war.« Er schwang einen unsichtbaren Golfschläger. »Hier haben früher täglich drei oder vier Züge gehalten, und drüben bei den Bahngleisen gab es sehr viel mehr Tramps als heute.«
    »Aber vielleicht ist der, der es getan hat, noch hier.«
    »Wenn das so ist, warum haben sie ihn dann nicht schon erwischt?«
    »Kam dir irgendwas komisch vor, bevor es passierte?«
    Pem schnaubte verächtlich. »Meinst du unheimlich?«
    »Nein, einfach merkwürdig.«
    »Hör mal, das war nicht wie im Kino. Niemand hat einen riesigen Perversen oder Spinner rumschleichen sehen und bloß vergessen, das zu erwähnen.« Er seufzte. Noch Jahre danach
war es in den Schulpausen das beliebteste Spiel gewesen, den Mord an Robin zu inszenieren: ein Spiel, das – im Laufe der Jahre weitergereicht und verändert – in der Grundschule immer noch populär war. Aber in der Schulhofversion wurde der Mörder gefasst und bestraft. Die Kinder versammelten sich im Kreis an der Schaukel und ließen tödliche Hiebe auf den unsichtbaren Schurken niederprasseln, der ausgestreckt in ihrer Mitte lag.
    »Eine Zeit lang«, sagte er laut, »kam jeden Tag irgendein Cop oder Prediger zu uns, um mit uns zu sprechen. In der Schule prahlten die Kids damit, dass sie wüssten, wer es gewesen war, oder dass sie es sogar selbst getan hätten. Bloß, um Aufmerksamkeit zu erregen.«
    Harriet starrte ihn durchdringend an.
    »Kinder machen so was. Danny Ratliff – o Gott! Der hat dauernd mit Sachen angegeben, die er nie getan hatte: Leuten die Kniescheiben zerschießen oder alten Damen Klapperschlangen ins Auto werfen. Du würdest nicht glauben, was für verrücktes Zeug ich ihn in der Billardhalle hab reden hören...« Pemberton schwieg. Er kannte Danny Ratliff schon aus Kindertagen: schwach und großspurig mit den Armen fuchtelnd und voll von leeren Prahlereien und Drohungen. Aber obwohl das Bild klar genug vor seinem geistigen Auge stand, wusste er nicht genau, wie er es Harriet vermitteln sollte.
    »Er ... Danny ist einfach verrückt«, sagte er.
    »Wo kann ich diesen Danny finden?«
    »Langsam. Von Danny Ratliff solltest du die Finger lassen. Er ist gerade aus dem Gefängnis gekommen.«
    »Weswegen war er drin?«
    »Messerstecherei oder so was. Weiß ich nicht mehr. Von den Ratliffs hat schon jeder Einzelne gesessen, wegen bewaffneten Raubüberfalls oder weil er jemanden umgebracht hat – nur nicht der Kleine, der Schwachsinnige. Und Hely hat mir erzählt, dass der neulich Mr. Dial zusammengeschlagen hat.«
    Harriet war entsetzt. »Das stimmt nicht. Curtis hat ihn nicht angerührt.«
    Pemberton gluckste. »Tut mir Leid, das zu hören. Ich kenne
niemand, der so dringend zusammengeschlagen gehört wie Mr. Dial.«
    »Du hast mir noch nicht gesagt, wo ich diesen Danny finde.«
    Pemberton seufzte. »Hör mal, Harriet«, sagte er. »Danny Ratliff ist ungefähr in meinem Alter. Und das mit Robin ist passiert, als wir in der vierten Klasse waren.«
    »Vielleicht hat es ein Kind getan. Vielleicht haben sie ihn deshalb nie erwischt.«
    »Hör mal, ich weiß nicht, wieso du dich für ein solches Genie hältst, das herausfinden wird, was sonst niemandem gelungen ist.«
    »Du sagst, er geht in die Billardhalle?«
    »Ja, und ins ›Black Door Tavern‹. Aber ich sage dir, Harriet, er hatte nichts damit zu tun, und selbst wenn es doch so wäre, solltest du ihn lieber in Ruhe lassen. Es gibt einen ganzen Haufen von diesen Brüdern, und sie sind alle irgendwie verrückt.«
    »Verrückt?«
    »Nicht so . Ich meine... einer von ihnen ist ein Prediger, du hast ihn wahrscheinlich schon gesehen: Er steht am Highway rum und brüllt was von Buße und so ’nem Zeug. Und der große Bruder, Farish, war eine Zeit lang in Whitfield in der Irrenanstalt.«
    »Weshalb?«
    »Weil er eine Schaufel oder so was an den Kopf gekriegt hat. Ich weiß es nicht mehr. Aber jeder Einzelne von denen wird andauernd verhaftet. Wegen Autodiebstahl«,

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