Der kleine Freund: Roman (German Edition)
schleiften. »Willst du mir nicht sagen, wie du heißt?«
»Na los, Randy.« Das Mädchen gab dem Kleinen einen Stoß.
»Randy? So heißt du?«
»Sagja, Randy.« Sie rückte das Baby auf ihrer Hüfte herauf. »Sag: Das ist Randy, und ich bin Rusty.« Mit einem schrillen, essigsauren Stimmchen sprach sie für das Baby.
»Randy und Rusty?«
Stinky und Schmutzy wohl eher , dachte Harriet.
Mit kaum verhüllter Ungeduld saß sie auf der Schaukel und klopfte mit dem Fuß auf den Boden, während Allison sich geduldig daran machte, Lasharon zu entlocken, wie alt die drei waren, und ihr ein Kompliment machte, weil sie ein so guter Babysitter sei.
»Zeigst du mir dein Buch?«, fragte sie dann den kleinen Jungen, der Randy hieß. »Hm?« Sie griff danach, aber er drehte sich kokett mit dem ganzen Körper weg und grinste dabei aufreizend.
»Is nich seins«, sagte Lasharon. Ihre scharfe und sehr nasale Stimme klang gleichzeitig fein und klar. »Is meins.«
»Wovon handelt es?«
»Von Ferdinand, dem Stier.«
»An Ferdinand kann ich mich erinnern. Das ist der kleine Kerl, der lieber an den Blumen schnuppert, als zu kämpfen, nicht wahr?«
»Du bist hübsch, Lady«, platzte Randy heraus, der bis zu diesem Augenblick noch kein Wort gesagt hatte. Aufgeregt schwenkte er den Arm vor und zurück, sodass die Seiten des offenen Buches über den Gehweg schrammten.
»Geht man denn so mit einem Buch aus der Bücherei um?«, fragte Allison.
Verwirrt ließ Randy das Buch vollends fallen.
»Heb das auf«, sagte seine große Schwester und tat, als wolle sie ihn ohrfeigen.
Randy wich dem Schlag mühelos aus, und wohl wissend, dass Allisons Blick auf ihm ruhte, trat er einen Schritt zurück und fing an, seinen Unterkörper in einem seltsam lasziven und erwachsen wirkenden kleinen Tanz hin und her zu drehen.
»Wieso sagt sie nichts?« Lasharon spähte an Allison vorbei zu Harriet, die finster von der Veranda her zuschaute.
Verblüfft sah Allison sich nach Harriet um.
»Bist du ihre Mama?«
Pack , dachte Harriet mit glühendem Gesicht.
Mit einigem Vergnügen hörte sie Allisons gestammelte Verneinung, als Randy seinen unanständigen kleinen Hula-Tanz plötzlich heftig verschärfte, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.
»Der Mann hat Diddys Auto geklaut«, sagte er. »Der Mann von der Papdisten-Kirche.«
Kichernd duckte er sich unter dem Seitenhieb seiner Schwester hinweg und wollte anscheinend zu weiteren Ausführungen ansetzen, als Ida Rhew unerwartet aus dem Haus gestürmt kam. Die Fliegentür schlug hinter ihr zu, und sie lief auf die Kinder zu und klatschte in die Hände, als wollte sie einen Vogelschwarm verscheuchen, der die Saatkörner vom Feld pickte.
»Macht, dass ihr wegkommt«, rief sie. »Haut ab!«
Im Handumdrehen waren sie mitsamt dem Baby verschwunden. Ida Rhew blieb auf dem Gehweg stehen und schüttelte die Faust. »Lasst euch ja nicht noch mal hier blicken«, schrie sie ihnen nach. »Sonst ruf ich die Polizei!«
»Ida!«, heulte Allison.
»Nix Ida!«
»Aber sie waren doch noch so klein! Sie haben nichts getan.«
»Nein, und sie werden auch nichts tun.« Ida Rhew starrte
ihnen eine Minute lang unverwandt nach, und dann klopfte sie sich den Staub von den Händen und wandte sich zum Haus zurück. Ferdinand der Stier lag aufgeklappt auf dem Gehweg, wo die Kinder es fallen gelassen hatten. Sie bückte sich umständlich, um es aufzuheben; sie fasste es mit Daumen und Zeigefinger an einer Ecke, als sei es verseucht. Sie hielt es mit ausgestrecktem Arm vor sich, richtete sich mit scharfem Ausatmen wieder auf und ging um das Haus herum zur Mülltonne.
»Aber Ida!«, rief Allison. »Das Buch ist aus der Bücherei!«
»Mir egal, wo es herkommt«, sagte Ida Rhew, ohne sich umzudrehen. »Es ist dreckig. Ich will nicht, dass ihr es anfasst.«
Charlotte streckte den Kopf zur Tür heraus, besorgt und schlaftrunken. »Was ist los?«, fragte sie.
»Es waren nur ein paar kleine Kinder, Mutter. Sie haben niemandem etwas getan.«
»Ach, du liebe Güte.« Charlotte schlang sich die Bänder ihrer Bettjacke fester um die Taille. »Das ist aber schade. Ich hatte vor, die alten Spielsachen aus eurem Zimmer in einen Sack zu packen und ihnen zu geben, wenn sie das nächste Mal vorbeikämen.«
»Mutter!«, quiekte Harriet. »Aber du weißt doch, dass du mit den alten Babysachen nicht mehr spielst«, sagte ihre Mutter friedfertig.
»Aber sie gehören mir! Ich will sie behalten!« Harriets Spielzeugfarm... die
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