Der kleine Koenig Dezember
Zimmer, und je älter er wurde, desto mehr wurden die Schachteln in dem kleiner werdenden Zimmer zusammengeschoben, und desto näher kamen ihm seine Träume. Bis das Zimmer so klein geworden war, dass es ganz von den Schachteln ausgefüllt wurde. MeinGroßvater war irgendwo dazwischen, so klein, dass man ihn nicht mehr sehen konnte und nicht mehr fand. Er war ganz winzig und umgeben von riesigen Träumen. Irgendwo darin hat er sich verloren. Ich habe dann die Schachteln in ein größeres Zimmer gebracht, dieses hier. Nun gehören sie mir. Aber vielleicht ist mein Großvater noch irgendwo dazwischen, wer weiß?«
Der König saß immer noch auf der Bettkante, ließ die Beine baumeln und blickte ins Kerzenlicht.
»Je älter einer wird, desto mächtiger werden seine Träume«, sagte ich leise. »Und irgendwann lebt man nur noch in ihnen und klettert von Schachtel zu Schachtel und irrt in gigantischen Vorstellungen umher. So ist das also bei euch.«
»Bei uns«, sagte der König Dezember.
»Bei euch«, seufzte ich und sagte dann: »Weißt du eigentlich, welcher Traum in welcher Schachtel ist?«
»Das ist doch keine Videothek hier«, sagte Dezember laut. »Ich meine, man kann sich nicht aussuchen, was man träumen will, heute einen Traum mit Prinzessinnen und morgen einen Cowboytraum oder so. Natürlich habe ich keine Ahnung, welcher Traum in welcher Schachtel ist. Ich lasse mich überraschen. Es geht nicht anders.«
Er zog seinen kleinen, roten Samtmantel aus, hängte ihn an einen goldenen Haken, der an einem der Regale befestigt war, stellte seine feinen goldenen Schuhe vor das Bett und legte sich hin. Die Krone behielt er auf dem Kopf, und er blieb auch nur kurz liegen, dann stand er wieder auf und begann im Zimmer hin- und herzugehen, barfuß und in einem kurzen weißen Hemdchen.
»Erzähl mir noch einen Traum!«, sagte er.
»Neulich war ich ein Düsenjägerpilot«, sagte ich. »Aber ich flog gar nicht mit dem Düsenjäger. Ich fuhr nur mit ihm herum. Ich fuhr über die Autobahn und über die Landstraße, und dann fuhr ich in die Stadt, stellte den Düsenjäger auf einen Parkplatz direkt an der Stadtmauer, zog einen Parkschein aus dem Automaten und besuchte meinen besten Freund. Wir tranken Kaffee, und dann fragte er mich, wo mein Düsenjäger sei, und ich sagte, er stünde auf einem Parkplatz vor dem Haus. Mein Freund sagte, ich könne doch nicht einen Düsenjäger auf einem Parkplatz stehen lassen. Ein Düsenjäger gehöre auf einen Flughafen oder in die Luft. Ich ging hinaus und wollte das Flugzeug zum Flughafen bringen. Dann dachte ich, ich könne doch nicht wieder damit durch die Straßen fahren, ich müsse fliegen. Aber wie sollte ich mitten in der Stadt einen Düsenjäger starten? Das ging auch nicht. Also blieb ich verzweifelt einfach sitzen und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte – ein Pilot, der nicht wusste, wie er fliegen soll, und sich nicht traute, seinen Düsenjäger zu bewegen.«
»Armer Kerl!«, sagte der König, blieb neben mir stehen und schaute mich lange an. »Nicht mal im Traum hebst du ab. Du tust mir wirklich leid. Kein Wunder, dass du traurig bist.«
»Wenn ich wenigstens noch klein wäre«, sagte ich, »dann könnte ich eines Tages Pilot werden.«
»Ich glaube, ich werde es eines Tages«, sagte der König. »Pilot meine ich.« Sein Blick wanderte über die vielen Schachteln um uns herum, und Dezember sagte: »Ich werde bestimmt noch Pilot. Wennich ganz klein bin, werde ich Pilot. Jedenfalls werde ich dann davon träumen. Irgendwo in diesen Schachteln ist ein großer, langer Pilotentraum, und den werde ich finden.«
»Du hast es gut«, sagte ich.
»Weißt du was?«, sagte der König Dezember.
»Was denn?«, sagte ich.
»Ich glaube, du hast nicht geträumt, dass du Pilot bist. Du bist es wirklich.«
»Wirklich…«, wiederholte ich.
»Stell es dir so vor«, sagte der König. »Du bist wirklich ein Pilot, der nicht fliegen kann, und an anderen Tagen bist du ein rudernder, trauriger Mann, und dann wieder bist du … ach, was weiß ich. So ist das Leben. Das Leben beginnt abends, wenn man einschläft, und macht eine Pause, wenn man morgens aufwacht. Ihr müsst das Einschlafen Aufwachen nennen und das Aufwachen Einschlafen. Was bist du von Beruf?«
»Insbürogeher«, sagte ich.
»Aha«, sagte der König. »Also, du schläfst morgens ein und träumst den ganzen Tag, dass du ein Insbürogeher bist und dass du arbeitest, arbeitest und arbeitest. Und abends, wenn du ins Bett
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