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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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Frau,« sprach er dann,
»ich weiß Ihre selbstlose Rücksicht auf
Ihren Sohn zu schätzen, und er selbst wird Ihnen einst als
Mann Dank dafür wissen. Ich kann Ihnen die Versicherung geben,
daß Lord Fauntleroy die sorgfältigste Pflege und
Erziehung genießen wird, und daß Graf Dorincourt ihn
so ängstlich behüten wird, wie nur Sie selbst es
könnten.«
    »Ich hoffe nur,« sagte die weichherzige
kleine Mutter mit erstickter Stimme, »daß sein
Großvater Ceddie lieb haben wird. Er hat ein weiches,
zärtliches Herz und ist an viel Liebe
gewöhnt.«
    Mr. Havisham mußte sich abermals räuspern;
er konnte sich nicht recht vorstellen, daß der
jähzornige, hochfahrende, rücksichtslose alte Herr in
seinem Gichtstuhl irgend jemand lieb haben könnte, allein er
wußte ja, daß es in dessen Interesse lag, auf seine
mürrische Art und Weise gut zu sein gegen seinen
künftigen Erben, und er wußte überdies,
daß, im Falle das Kind seinem Namen Ehre machte, der Graf
stolz auf den Jungen sein würde.
    »Lord Fauntleroy wird nichts entbehren, dessen bin
ich gewiß,« versetzte er; »einzig in
Rücksicht auf das Glück des Kindes wünschte
der Graf, daß Sie nahe genug leben, um ihn täglich zu
sehen.«
    Mr. Havisham hielt es nicht für angemessen, die
Ausdrücke, in welchen der Graf diesen Beschluß
motiviert hatte, hier wörtlich zu wiederholen, sondern zog es
vor, seines Auftraggebers Anerbieten in eine höflichere und
mildere Form zu kleiden.
    Von neuem wurde ihm etwas bänglich zu Mute, als Mrs.
Errol Mary hereinrief und ihr den Befehl erteilte, den Jungen zu suchen.
    »Wird nicht schwer zu finden sein,«
erklärte diese, »der sitzt bei Mr. Hobbs an der Ecke
auf dem hohen Stuhle an der Kasse und schwatzt von Politik oder thut
sich sonstwie herum amüsieren unter der Seife oder den
Lichtern oder derlei Zeug, seelenvergnügt wie
alleweil.«
    »Mr. Hobbs kennt ihn, seit er auf der Welt
ist,« erklärte Mrs. Errol. »Er ist sehr
gütig gegen Ceddie und die beiden sind große
Freunde.«
    Zufällig hatte Mr. Havisham im Vorüberfahren
einen Blick auf das nicht sehr elegante Geschäft mit den
offnen Kartoffelsäcken, Apfelfässern und dem
hunderterlei Krimskrams geworfen und fühlte nun von neuem
ernste Zweifel in sich aufsteigen. In England pflegen die Kinder
vornehmer Eltern keinen Verkehr in Kramläden zu haben, und die
Sache kam ihm nicht unbedenklich vor. Schlechte Manieren und Hang zu
untergeordneter Gesellschaft wären höchst
mißlich an dem Jungen; denn gerade die Neigung zu niedrigem
Verkehr hatte den Grafen an seinen beiden ältesten
Söhnen so tief verletzt. War es denkbar, daß der
Junge derartige Anlagen von seinen Onkeln überkommen
hätte statt der liebenswürdigen Eigenschaften des
Vaters?
    In großer innerer Unruhe setzte er sein
Gespräch mit Mrs. Errol fort, bis das Kind kam, und als die
Thür aufging, scheute Mr. Havisham sich förmlich,
einen Blick auf Cedrik zu werfen. Für viele Leute, die den
trefflichen Mann im Leben lange kannten, wäre es
äußerst interessant gewesen, zu beobachten, was in
ihm vorging, als er den Jungen auf seine Mutter zueilen sah –
der Umschlag in seinen Gefühlen war derart, daß er
ihn förmlich erschütterte. Im ersten Augenblick
erkannte er, daß der kleine Geselle hübscher und
vornehmer war, als er je einen gesehen, und dabei hatte seine
Erscheinung etwas ganz Eigenartiges. Die kleine Gestalt war voll Anmut,
Kraft und Energie; sein Köpfchen trug er hoch, und in der
ganzen Haltung lag eine gewisse Tapferkeit; seinem Vater sah er
überraschend ähnlich; von ihm hatte er das goldne
Lockenhaar, von der Mutter die großen braunen Augen, nur
daß in den seinigen auch kein Schimmer von
Schüchternheit oder Trauer lag, sondern sie so unschuldig und
unerschrocken in die Welt hineinschauten, als sollte ihr
Träger Furcht und Sorge nie kennen lernen.
    »Der hübscheste kleine Bursche, den ich je
gesehen habe, und Rasse hat der Junge,« dachte Mr. Havisham
bei sich, während er nichts verlauten ließ als die
Worte: »Also das ist der kleine Lord Fauntleroy?«
    Und je häufiger er diesen Lord Fauntleroy sah und um
sich hatte, desto mehr steigerte sich sein Erstaunen; er hatte zwar in
England reichlich Gelegenheit gehabt, Kinder zu sehen,
hübsche, rosige kleine Mädchen und Knaben, die von
Erzieherinnen und Hauslehrern korrekt am Gängelbande
geführt wurden und die zum Teil scheu und schüchtern,
zum Teil

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