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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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einmal ein
entschiedenes Vorurteil; war die Gicht sehr schlimm, so
erklärte er ohne weiteres, daß er nicht durch
Erzählungen über das Bettlerpack mißhandelt
werden wolle. Waren die Schmerzen etwas geringer und die Stimmung
menschlicher, so gab er zuletzt einiges Geld her, aber nie, ohne
möglichst viel Sarkasmen und verletzende Bemerkungen
über den Pfarrer ausgegossen zu haben, der es
äußerst schwierig fand, seine christlichen
Gesinnungen auch auf den edlen Lord in Anwendung zu bringen. Aus freiem
Willen etwas Gutes thun oder einen freundlichen Gedanken für
andre hegen, waren Dinge, welche Mr. Mordaunt in all den Jahren an
seinem Gebieter nicht kennen gelernt hatte.
    Heute war er gekommen, um über einen besonders
dringenden Fall zu reden, und er hatte sich noch mehr als sonst mit
Furcht und Zittern auf den Weg gemacht. Einmal wußte er,
daß der Graf seit mehreren Tagen an einem besonders heftigen
Gichtanfall litt und daß das Barometer auf Sturm stand, so
daß Gerüchte darüber sogar bis ins Dorf
gedrungen waren – Mrs. Dibble, die einen kleinen Laden mit
Nähnadeln, Strickgarn, Pfefferminzzeltchen und Klatsch hielt,
besaß als Hauptbezugsquelle für letzteren gesuchten
Artikel eine Schwester, die als Hausmädchen im Schlosse
diente, mit Mr. Thomas auf gutem Fuße stand und einfach
»alles« wußte.
    »Wie's der Lord jetzt treibt,« hatte Mrs,
Dibble erzählt, »das ist nicht mehr zu sagen, und was
er für Ausdrücke braucht – Mr. Thomas hat
selbst zu meiner Jane gesagt, das halte kein Christenmensch mehr aus,
und wenn der Dienst sonst nicht gut wäre, und die Gesellschaft
im Unterstocke so nett, hatt' er ihm neulich, nachdem Mylord ihm die
heiße Platte mit dem Toast an den Kopf geworfen, rundweg
aufgesagt!«
    Dies alles war auch ins Pfarrhaus gedrungen, denn der Lord war
nun einmal das »schwarze Schaf« in der Gemeinde, von
dem man nicht genug Schauergeschichten erzählen und
hören konnte.
    Und noch ein andres ließ den wackeren Geistlichen
gerade heute einen üblen Empfang im Schlosse
fürchten. Jedermann wußte, wie wütend der
Graf über seines Sohnes amerikanische Heirat gewesen war,
jedermann wußte, wie hart er ihn behandelt hatte, und
daß der frische, hübsche junge Mann – der
einzige seiner Familie, der allgemein beliebt gewesen – arm
und unversöhnt im fremden Lande gestorben war. Jedermann
wußte ferner, daß er ohne jede Neigung oder Freude
der Ankunft jenes Enkels entgegensah und daß er sich in den
Kopf gesetzt hatte, einen ungeschlachten, plumpen Lümmel von
Amerikaner in ihm zu finden, der seinem Namen Schande machen
mußte. Das alles wußte man, obgleich der harte,
stolze Mann sein Inneres vor jedem Menschen zu verbergen glaubte! Und
während er sich völlig gesichert vor jedem Einblick
in sein Leben hielt, hieß es am Dienerschaftstische:
»Wenn der Alte an des Kapitäns Jungen denkt, treibt
er's noch toller als sonst, weil er eine Hundeangst vor dem Bengel hat.
Geschieht ihm aber ganz recht, er ist selber schuld daran, und was kann
er von einem Kinde erwarten, das da drüben in dem Amerika
unter geringen Leuten aufgezogen ist?«
    Dies alles überlegte sich Seine Ehrwürden,
als er, im Schatten der herrlichen alten Bäume dahinschritt,
und er sagte sich, daß dieser besagte Enkel gestern angekommen
und zehn gegen eins der Graf infolge des ersten Eindruckes in einer
Berserkerwut sei, und doch mußte es sein!
    Dann hatte Thomas ihm die Thür geöffnet, und
sein erster Blick war auf das merkwürdigste Bild gefallen: der
Graf in seinem Lehnstuhle, den gichtischen Fuß weich
unterstützt, und dicht neben ihm, an das gesunde Knie gelehnt,
ein kleiner Junge mit heißen Wangen und vor Uebermut
blitzenden Augen.
    »Zwei heraus!« jauchzte die helle
Kinderstimme. »Diesmal hast du kein Glück gehabt,
gelt?«
    Da wurden beide Spieler plötzlich des Eintretenden
ansichtig.
    Der Graf blickte auf, zog die Augenbrauen zusammen, wie es
seine Art war, und zu Mr. Mordaunts ungemessenem Erstaunen
verdüsterte sich seine Miene keineswegs, als er ihn erkannte,
ja er sah sogar aus, als ob er ganz vergessen hätte,
daß es zu seinen Lebensgewohnheiten gehörte, Furcht
und Schrecken um sich zu verbreiten.
    »Ach!« sagte er mit seiner rauhen Stimme,
reichte ihm aber mit verhältnismäßiger
Artigkeit die Hand. »Guten Morgen, Mordaunt. Sie sehen, ich
bin auf eine ganz neue Art beschäftigt.«
    Die andre Hand legte er auf Cedriks

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