Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Hodgson Burnett
Vom Netzwerk:
Bettelleuten Geld zu geben.«
    »O nein, Bettelleute waren es gar nicht!«
rief Cedrik. »Michael war – Michael ist ein sehr
ausgezeichneter Maurer. Sie haben alle gearbeitet.«
    »Aha,« beruhigte ihn der Graf.
»Bettelleute waren es also nicht, sondern sehr ausgezeichnete
Maurer, Stiefelputzer und Apfelfrauen.« Plötzlich
schien ihm ein Einfall zu kommen und er sah den Jungen ein paar
Sekunden scharf an. »Komm 'mal her,« sagte er dann.
    Fauntleroy trat so nahe zu ihm, als es irgend anging, ohne an
das kranke Bein zu stoßen.
    »Was würdest du in diesem Falle
thun?« fragte der alte Edelmann.
    Eine seltsame Empfindung bemächtigte sich Mr.
Mordaunts bei dieser unvorhergesehenen Frage. Er war seit Jahren in der
Gemeinde angestellt, kannte die Armen und Reichen, die Ehrlichen und
die Schlimmen, und wußte, welch ungeheure Macht zum
Bösen oder Guten dereinst diesem kleinen Jungen gegeben sein
werde, der mit weit offnen Augen, die Hände in den Taschen vor
ihm stand, und dabei durchzuckte ihn der Gedanke, daß, wenn
der herrische, eigensinnige alte Mann die Laune haben sollte, diese
Macht schon jetzt in diese kleine Hand zu legen und diese Kindesnatur
keine großmütige und wahre wäre, der Schaden
für den Knaben selbst, wie für die von ihm
Abhängigen, ein unabsehbarer sein würde.
    »Was würdest du in diesem Falle
thun?« fragte der Graf.
    Fauntleroy legte die Hand zutraulich auf des
Großvaters Knie.
    »Wenn ich sehr reich wäre, und nicht nur ein
kleiner Junge, dann würde ich ihn ruhig in seinem Hause wohnen
lassen und würde ihm alles geben, was die Kinder brauchen,
aber ich, ich bin ja nur ein Kind!« Aufleuchtend setzte er
gleich darauf hinzu: »Du kannst das alles thun, nicht
wahr?«
    »Hm, da hätten wir also deine
Meinung,« sagte der Graf.
    »Nicht wahr, du kannst allen Leuten geben, was du
willst?« fragte Fauntleroy noch einmal. »Was ist denn
Newick?«
    »Mein Intendant, für den meine
Pächter eben keine sonderliche Zuneigung hegen.«
    »Willst du ihm jetzt gleich schreiben?«
drängte Cedrik. »Soll ich dir Feder und Tinte
bringen? Ich kann ja das Spiel hier wegnehmen.« Die
Möglichkeit, daß man diesen Herrn Newick seine
Drohung ausführen lassen könnte, kam ihm offenbar gar
nicht in den Sinn.
    Der Graf schwieg eine Weile, den Knaben immer fest ins Auge
fassend.
    »Kannst du schreiben?« fragte er.
    »Ja,« erwiderte Cedrik kleinlaut,
»aber nicht sehr gut.«
    »Nimm die Sachen hier weg und bring Feder und Tinte
und ein Blatt Papier von meinem Pulte.«
    Mr. Mordaunt folgte der Verhandlung mit wachsendem Interesse.
Fauntleroy führte den erhaltenen Befehl rasch und geschickt
aus; nach wenig Augenblicken war alles bereit.
    »Hier,« sagte er fröhlich,
»nun kannst du schreiben.«
    »Du sollst schreiben,« versetzte der Graf.
    »Ich?« rief Fauntleroy bis unter die Locken
errötend. »Nutzt denn das etwas, wenn ich schreibe?
Und wenn ich kein Wörterbuch habe, dann mache ich viele
Fehler!«
    »Einerlei! Higgins wird's mit der Orthographie nicht
so streng nehmen. Ich bin nicht der Menschenfreund, sondern du
– vorwärts, tauch deine Feder ein!«
    Fauntleroy setzte sich feierlich und etwas mühsam
zurecht.
    »Nun,« fragte er, »was soll ich
schreiben?«
    »Schreibe: Gegen Higgins soll vorderhand nicht
eingeschritten werden, und das unterzeichnest du mit
›Fauntleroy‹, dann ist's gut.«
    Die Sache ging nicht gerade rasch vor sich, so ernstlichen
Eifer Cedrik auch an den Tag legte, schließlich
überreichte er jedoch, freilich mit etwas besorgter Miene, dem
Großvater sein Manuskript, das dieser überflog und
lächelnd Mr. Mordaunt reichte.
    Das Schriftstück lautete:
     
    »Lieber Mr. Newick wollen sie
bitte so gutt sein und
forterhand gegen Mr. Higgins nicht einschreitten, woführ ich
Ihnen dankbahr bin.
    Achdungsfol
der ihrige
    Fauntleroy.«
     
    »Mr. Hobbs hat seine Briefe immer so
unterschrieben,« bemerkte Cedrik, »und ich dachte, es
sei besser, wenn ich sage ›bitte‹. Ist
›einschreiten‹ richtig geschrieben?«
    »Im Wörterbuch steht es etwas
anders,« bemerkte der Graf.
    »Das dacht' ich mir doch,« sagte Fauntleroy
bekümmert, »ich hätte dich fragen sollen.
Wenn die Wörter mehr als eine Silbe haben, muß ich
immer noch fragen. Ich will es noch einmal schreiben.«
    Er machte sich sofort ans Werk und fertigte eine sehr
sorgfältige Kopie, wobei er so vorsichtig war, den Grafen
mehrmals zu Rate zu

Weitere Kostenlose Bücher