Der kleine Lord
vornehmen
Hause kam, wo sie ein wunderschönes kleines Mädchen,
Namens Lady Gwyneth Vaughn, bedient hatte.
»Und die ist auf eine Art mit Mylord
verwandt,« schloß Dawson, »vielleicht werden
Sie sie einmal sehen.«
»Glauben Sie wirklich?« sagte Cedrik
erfreut. »Das würde mich sehr freuen! ich kenne noch
gar kein kleines Mädchen, aber ich habe sie immer gern
angesehen.«
Als er in das anstoßende Zimmer trat, das ebenfalls
sehr groß und hoch war, und von Dawson hörte,
daß das nächste, dritte Zimmer auch ihm
gehöre, überkam ihn das Gefühl seines
Kleinseins wieder so mächtig, daß er sich gegen
Dawson darüber aussprach, während er an dem
hübsch gedeckten Frühstückstische Platz nahm.
»Ich bin ein sehr, sehr kleiner Junge,«
sagte er ziemlich gedrückt, »dafür,
daß ich in so einem großen Schlosse leben und so
viele Zimmer haben soll – meinen Sie nicht auch?«
»Ach du liebe Zeit,« tröstete
Dawson, »das kommt Ihnen nur jetzt im Anfang alles fremd vor,
das wird bald vorbei sein, dann gefällt's Ihnen herrlich, 's
ist ja so schön hier!«
»Freilich ist es schön,« stimmte
Fauntleroy mit einem halben Seufzer bei, »aber es
würde noch viel schöner sein, wenn mir Herzlieb nicht
so fehlte. Ich habe jeden Morgen mit ihr gefrühstückt
und ihr Zucker und Sahne in die Tasse gethan, und ihr den Toast
gereicht. Das war natürlich viel angenehmer.«
»Ach was, Mylord kann sie ja jeden Tag sehen, und da
wird's denn kein Ende nehmen mit Erzählen. Du lieber Himmel!
Warten Sie's nur ab, bis Sie überall gewesen sind, und sich
alles angesehen haben, die Hunde und die Ställe ganz voll mit
Pferden. Es ist eins darunter, das Ihnen gewiß gefallen wird
–«
»Wirklich?« rief Fauntleroy. »Ich
habe die Pferde sehr gern. Zu Hause, da hatt' ich Jim so gern; das war
Mr. Hobbs' Pferd und ging am Spezereiwagen. O, Jim war ein
schönes Pferd, wenn es nicht ausschlug.«
»Nun, warten Sie's nur ab, was Sie hier in den
Ställen zu sehen kriegen. Ach, und meiner Seel', Sie haben ja
noch nicht einmal ins andre Zimmer geguckt.«
»Was gibt's denn da?« fragte Cedrik
neugierig.
»Frühstücken Sie nur erst, dann
wollen wir schon sehen.«
Nach dieser geheimnisvollen Andeutung ging es
natürlich sehr rasch mit dem Frühstück, und
mit einem erleichterten: »So, jetzt bin ich fertig,«
glitt Seine Herrlichkeit vom Stuhle herab.
Dawson nickte und wies nach der Thür, wobei sie
äußerst geheimnisvoll und vielsagend drein schaute,
so daß seine Spannung sich gewaltig steigerte. Nachdem sie die
Thür geöffnet hatte, blieb er auf der Schwelle
stehen, sprachlos, die Hände in den Taschen, ganz rot vor
Aufregung; was ersah, war auch ganz dazu angethan, ein Kinderherz zu
überwältigen.
Das Zimmer war ebenfalls groß, wie hier alles zu sein
schien, und es kam ihm noch weit schöner vor, als all die
übrigen, nur ganz anders. Die Möbel waren nicht so
altertümlich und schwerfällig wie die unten, die
Stoffbehänge an Fenstern und Thüren waren heller und
leichter, ringsum waren Bücherbretter voll besetzt, und auf
den Tischen stand eine ganze Menge Spielsachen, wunderbare, kunstvolle
Dinge, wie er sie an den großen Schaufenstern in New York so
manches Mal sehnsüchtig angestaunt hatte.
»Das sieht aus wie eines Jungen Zimmer,«
sagte er endlich, tief aufatmend. »Wem gehört das
alles?«
»Gehen Sie doch hinein und sehen sich's an,«
sagte Dawson. »Das ist alles für Sie!«
»Für mich!« rief er. »Mir
gehört das? Warum? Wer hat mir das geschenkt?« Und
mit einem Jubelschrei sprang er mitten in das Zimmer. »Das
kommt vom Großpapa,« sagte er mit funkelnden Augen.
»Ich weiß es gewiß, das kommt vom
Großpapa!«
»Gewiß,« bestätigte
Dawson, »und wenn Sie ein artiger junger Herr sein und nicht
bei jeder Kleinigkeit ärgerlich werden wollen und den ganzen
Tag vergnügt und lustig sein, so gibt er Ihnen, wonach Ihr
Herz begehrt.«
Das war ein aufregender Vormittag. Was gab es da alles zu
besehen und zu untersuchen, jedes einzelne Ding war so interessant,
daß man kaum davon loskommen konnte. Und dann war es doch gar
zu merkwürdig, zu denken, daß das alles für
ihn herbeigeschafft worden war, daß, noch ehe er New York
verlassen, alle diese Herrlichkeit für ihn vorbereitet worden
war.
»Haben Sie je von so einem guten Großvater
gehört?« fragte er Dawson mit Begeisterung.
Dawson war erst seit wenigen Tagen im Hause, aber im
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