Der kleine Lord
ziehen.
»O'thographie ist eine kuriose Sache,«
bemerkte er, »so oft ist es ganz anders, als man denkt. Ich
habe immer gedacht, lieb schreibe man lihb, und dann war's doch nicht
so – 's ist oft recht schwierig.«
Nachdem Mr. Mordaunt sich im glücklichen Besitz der
eigentümlichen Kabinettsorder entfernt hatte, kehrte
Fauntleroy, der ihm das Geleit gegeben, eilends zum Grafen
zurück.
»Darf ich jetzt zu Herzlieb gehen?« fragte
er. »Sie wartet gewiß auf mich.«
»Im Stalle ist etwas, das du dir noch besehen
mußt. Drücke einmal auf die Klingel!«
»Bitte, bitte,« sagte Cedrik eifrig,
»ich danke dir schön, aber ich glaube, es wird besser
sein, wenn ich's erst morgen sehe. Herzlieb wartet schon so
lange.«
»Wie du willst. Dann wollen wir den Wagen bestellen.
– Es ist auch nur ein Pony,« setzte er trocken hinzu.
Fauntleroy hielt den Atem an.
»Ein Pony,« rief er. »Wem
gehört der Pony?«
»Dir,« versetzte der Graf.
»Mir?« rief der kleine Bursche
außer sich. »Mir – gerade wie das Spielzeug
oben?«
»Gewiß! Willst du ihn sehen? Soll ich ihn
vorführen lassen?«
Fauntleroys Wanden waren dunkelrot.
»Daran hab' ich nie gedacht, daß ich einen
Pony kriegen könnte. So was ist mir nie eingefallen. Wie wird
Herzlieb sich freuen! Du gibst mir alles, nicht wahr?«
»Du willst ihn also sehen?«
Cedrik atmete tief auf. »Ich möchte ihn so
gern sehen, o, so furchtbar gern. Aber ich habe jetzt keine
Zeit.«
»Könntest du den Besuch nicht auf morgen
verschieben?«
»O nein,« sagte Fauntleroy.
»Herzlieb hat den ganzen Tag immerfort an mich gedacht, und
ich an sie.«
»So so, wahrhaftig,« sagte der Graf.
»So klingle nur.«
Während sie die Avenue entlang fuhren, war der alte
Herr ziemlich schweigsam, Fauntleroys Züngchen dagegen stand
nicht still. Er sprach natürlich nur von dem Pony –
wie groß er sei, wie er heiße, wie alt er sei, von
welcher Farbe, was er am liebsten esse, und wann er ihn morgen
früh sehen dürfe.
»Wie wird Herzlieb sich freuen!« rief er
dazwischen immer wieder. »Sie wird dir auch so dankbar sein!
Sie weiß ja, wie gern ich Ponies habe, aber daß ich
je 'mal einen eigen haben würde, daran hat keins von uns
gedacht. In der Fifth Avenue wohnte ein Junge, der hatte einen, und da
haben wir oft einen Umweg gemacht, um ihn reiten zu sehen.«
Fast müde vom Fragen und Reden lehnte er in die
Kissen zurück und sah ein paar Minuten lang den Grafen ganz
verklärt an, ohne ein Wort zu sagen.
»Ich glaube, daß es auf der ganzen Welt
niemand gibt, der so gut wäre, wie du,« kam es
endlich aus Herzensgrunde. »Du thust immerfort und immer nur
Gutes. Herzlieb sagt, an andre denken und nicht an sich, das sei die
wahre Güte, und das thust du!«
Seine Herrlichkeit schwieg – diese Charakteristik
war geeignet, ihn schwindeln zu machen! Dabei waren die klaren,
großen, unschuldigen Kinderaugen mit dem Ausdruck
schrankenloser Bewunderung auf ihn geheftet – das hatte etwas
Verwirrendes, sogar für diesen ziemlich abgehärteten
Mann!
»So viele Menschen machst du
glücklich!« fuhr Cedrik fort. »Michael,
Bridget und ihre zwölf Kinder, und die Apfelfrau, und Dick,
und Mr. Hobbs, und Mr. Higgins und seine Frau und ihre Kinder, und Mr.
Mordaunt, und Herzlieb und mich – ich hab's an den Fingern
gezählt: Siebenundzwanzig! Weißt du,« setzte
er dann zögernd hinzu, »daß Leute, die keine
Grafen kennen, sich manchmal sehr täuschen? Mr. Hobbs hat sich
getäuscht, aber ich werde ihm schreiben und ihm alles von dir
erzählen.«
»Nun, was war denn Mr. Hobbs' Ansicht über
Grafen im allgemeinen und besondern?« fragte der alte Herr.
»Ja, siehst du, die Geschichte war eben die,
daß er nie einen lebendig gesehen hatte, sondern nur in
Büchern von ihnen gelesen, und deshalb hat er geglaubt
– du mußt dir nichts daraus machen, bitte!
– sie seien blutbefleckte Tyrannen, und hat gesagt, er
möchte keinen in seinem Laden herumlungern haben. Aber wenn er
dich kennen würde, dann wär' er wohl andrer Meinung.
Ich werd's ihm aber schreiben!«
»Was wirst du ihm schreiben?«
»Daß du der beste, gütigste Mann
bist, von dem ich je gehört, und daß du immer an
andre denkst, und daß ich, wenn ich einmal groß bin,
gerade so werden möchte wie du!«
»Wie ich?« wiederholte der Graf mit einem
Blick in das leuchtende Kindergesicht –- dann wandte er sich
rasch ab und sah zum Fenster hinaus nach den Buchen,
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