Der kleine Mann
Aber was mach ich mit der Schweiz? Na ja, wie dem auch wolle: Lopez gehört mindestens das vierte Drittel von ganz Südamerika! Kupfer und Zinn und Kaffeebohnen und Silberminen und Hazi... Hazi... Haziendas mit lauter Ochsen, von der Weide bis zum Corned beef, marsch marsch, ‘rin in die Konservenbüchsen! Hat ‘ne Art Burg drüben. Zwischen Santiago und Valparaiso. Mit eignem Flugplatz und hundert Scharfschützen, die ‘ner Stubenfliege die Zigarre glatt aus der Hand schießen.“
Das war zuviel für Mäxchen. Er kicherte.
„Laß das!“ sagte Otto. „Der Lopez, der ist nicht komisch. Das scheint nur so. Wenn irgendwo ‘n Gemälde geklaut wird, das wenigstens ‘ne Million kostet, hängt’s ‘ne Woche später in seiner unterirdischen Galerie. Ob das nun ‘n echter Adolf Dürer oder ‘n Remscheid oder so’n moderner Maler ist wie der berühmte Inkasso... “
„Picasso“, korrigierte Mäxchen. „Und Rembrandt und Albrecht Dürer.“
„Ist doch ganz wurscht“, meinte Otto und kippte den nächsten Schnaps hinter die Binde. „Hauptsache, daß die Bilder in dem Lopez seinem Keller hängen. Es weiß bloß niemand. Nicht mal die Interpol. Und sogar wenn die’s wüßte, könnte sie nischt machen. Die Scharfschützen ließen sie gar nicht erst in die Festung ‘rein.“
„Wer ist denn die Interpol?“ fragte Mäxchen.
,,’ne Abkürzung und hei... hei... heißt Internationale Polizei. Den Bernhard und mich hätte sie beinahe mal geschnappt! Als wir die Zigeunerin geklaut hatten und mit ihr auf’m Flugplatz von Lissabon in dem Lopez sein Privatflugzeug ‘reinwollten! Ging aber noch mal gut. Na, jetzt is sie schon zwei Jahre drüben in seiner Burg und muß ihm täglich die Karten legen. Ob er an der Börse Aktien kaufen soll oder im Moment nich. Oder ob er was mit der Leber hat, weil er leider säuft und vielzuviel verträgt. Oder ob eins seiner Rennpferde gewinnen wird...“
„Und was ist das nun mit mir?“ fragte Mäxchen gespannt. „Warum wollte er, daß ihr diesmal mich raubt und hinüberbringt?“
Otto schenkte sein Glas voll. Die Flasche war fast leer. Er spülte sich den Mund mit Schnaps, hustete, schnaufte und sagte: „Der Mann langweilt sich, und deshalb sammelt er eben. Bilder und Leute. Als wären’s Briefmarken. Kann gar nich genug kosten. Hat ‘n ganzes Ballett rauben lassen. Lauter hübsche Käfer. Die müssen ihm jeden Abend was vortanzen. Denkst du, Lopez läßt die wieder frei? Keine Bohne. Nich mal als Großmütter. Geht nich. Die würden ihn auf der Stelle verpfeifen. Hab ich recht oder stimmt’s? Und ‘nen berühmten Professor hält er auch gefangen. Weil der weiß, ob ‘n teures Bild echt oder falsch ist.“
„Und wenn ihn der Professor nun anschwindelt?“
„Einmal hat er’s versucht.“ Otto grinste. „Das ist ihm gesundheitlich nich gut bekommen. Für Faxen hat der Lopez kein’ Sinn.“
„Und was will er denn von mir?“ fragte Mäxchen mit zittriger Stimme.
„Keine Ahnung. Haben will er dich, also kriegt er dich, punktum! Vielleicht weil du ‘ne Rarität bist. So wie ‘n Kalb mit zwei bis drei Koppen.“
Mäxchen starrte Ottos abstehende Ohren an. ,Wie ein Gesicht mit Henkeln’, dachte er. Und dann dachte er vor allem: ,Ich muß hier fort! Es wird höchste Zeit!’
Daß dann Bernhard aufkreuzte, hab ich auch schon erwähnt. „Am Freitag fliegen wir“, sagte er und zeigte die Flugkarten. Er blieb nicht lange, weil er im ,Krummen Würfel’ zu Mittag essen und Otto in einer Stunde ablösen wollte, obwohl der Glatzkopf keinen rechten Appetit hatte. Zwei Portionen Eisbein mit Sauerkraut, hatte er gemeint, würden heute genügen.
,In einer Stunde kommt Bernhard wieder’, dachte Mäxchen. ,Da heißt es handeln. Die Flugkarten hat er schon. Jetzt oder nie!’ Deshalb bekam der Kleine Mann plötzlich gräßliche Magenkrämpfe und wimmerte und jammerte, daß Otto sich die Henkel, nein, die Ohren zuhielt.
>
Wenn ihr es dem betrunkenen Otto nicht weitersagt, verrate ich euch ein Geheimnis. Hört auch bestimmt niemand zu? Nein? Also, ganz im Vertrauen: Mäxchen hatte in Wirklichkeit gar keine Magenkrämpfe! Er hatte auch keine Herzkrämpfe und keine Wadenkrämpfe und keine Schreikrämpfe und keine Schreibkrämpfe. Ihm tat überhaupt nichts weh. Er tat nur so, als ob es täte. Es gehörte zu seinem Plan.
„Auauau!“ stöhnte er. „Ohohoh!“ jaulte er. „Huhuhu!“ heulte er und krümmte sich in seiner Streichholzschachtel wie ein Wurm. „Einen
Weitere Kostenlose Bücher