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Der Klient

Titel: Der Klient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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wird einem eine Entscheidung mitgeteilt, und man handelt entsprechend. Aber bei Kindern ist es anders. Sie verstehen anwaltliche Ratschläge nicht. Sie wollen in die Arme genommen werden und brauchen jemanden, der für sie die Entscheidungen trifft. Sie sind verängstigt und auf der Suche nach Freunden.
    Sie hatte in Gerichtssälen schon viele kleine Hände gehalten und viele Tränen abgewischt.
    Sie stellte sich die Szene vor: ein riesiger, leerer Saal des Bundesgerichts in New Orleans mit verschlossenen Türen, die von zwei Marshals bewacht wurden; Mark im Zeugenstand; Foltrigg in seiner ganzen Herrlichkeit, der auf heimatlichem Terrain stolzierte, eine Schau abzog für seine Assistenten und vielleicht einen FBI-Agenten oder zwei; der Richter in einer schwarzen Robe. Er handhabt die Sache behutsam; vermutlich kann er Foltrigg nicht ausstehen, weil er ständig mit ihm zu tun hat. Er, der Richter, fragt Mark, ob er sich in der Tat geweigert hat, an diesem Morgen vor der Anklagejury in einem nur ein paar Türen weit entfernten Saal bestimmte Fragen zu beantworten. Mark schaut zu Seinen Ehren auf und antwortet mit Ja. Was war die erste Frage? erkundigt sich der Richter bei Foltrigg, der mit einem Block in der Hand herumstolziert, als wäre der Raum voller Kameras. Ich habe ihn gefragt, Euer Ehren, ob Jerome Clifford vor seinem Selbstmord irgend etwas über die Leiche von Senator Boyd Boyette gesagt hat. Und er hat sich geweigert, diese Frage zu beantworten, Euer Ehren. Dann habe ich ihn gefragt, ob Jerome Clifford ihm tatsächlich gesagt hat, wo die Leiche vergraben ist. Und auch diese Frage wollte er nicht beantworten, Euer Ehren. Und der Richter beugt sich noch weiter zu Mark vor. Er lächelt nicht. Mark schaut seine Anwältin an. Warum hast du diese Fragen nicht beantwortet? fragt der Richter. Weil ich nicht will, antwortet Mark, und es ist beinahe komisch. Aber niemand lächelt. Nun, sagt der Richter, ich befehle dir, diese Fragen vor der Anklagejury zu beantworten, hast du mich verstanden, Mark? Ich befehle dir, auf der Stelle in den Saal mit der Anklagejury zurückzukehren und sämtliche Fragen von Mr. Foltrigg zu beantworten, hast du verstanden? Mark sagt nichts und verzieht keine Miene. Er schaut nur seine zehn Meter entfernte Anwältin an, der er vertraut. Was ist, wenn ich die Fragen nicht beantworte? fragt er schließlich, und das irritiert den Richter. Du hast keine andere Wahl, mein Junge. Du mußt antworten, weil ich es befehle. Und wenn ich es nicht tue? fragt Mark verängstigt. Nun, dann machst du dich der Mißachtung des Gerichts schuldig, und ich werde dich wahrscheinlich ins Gefängnis stecken, bis du tust, was ich sage. Für eine sehr lange Zeit, knurrt der Richter.
    Axle rieb sich an ihrem Stuhl und schreckte sie auf. Die Szene im Gerichtssaal verblaßte. Sie schlug das Buch zu und trat ans Fenster. Der beste Rat, den sie Mark geben konnte, war der, einfach zu lügen. Eine große Lüge vorzubringen. Im kritischen Moment erklärst du einfach, der verstorbene Jerome Clifford hätte nichts über Boyd Boyette gesagt. Er war verrückt und betrunken und hatte eine Menge Drogen genommen, und er hat nichts gesagt, überhaupt nichts. Wer in aller Welt konnte ihm das Gegenteil beweisen?
    Mark war ein gewandter Lügner.
    Er erwachte in einem fremden Bett zwischen einer weichen Matratze und einer schweren Schicht Decken. Eine trübe Lampe auf dem Flur warf einen schmalen Lichtstreifen durch den Türspalt. Seine abgetragenen Nikes lagen auf einem Stuhl neben der Tür, aber den Rest seiner Kleidung hatte er noch an. Er schob die Decken bis zu den Knien hinunter, und das Bett quietschte. Er starrte an die Decke und erinnerte sich vage, daß Reggie und Momma Love ihn in dieses Zimmer gebracht hatten. Dann erinnerte er sich an die Schaukel auf der Veranda und daran, daß er sehr müde gewesen war.
    Langsam schwang er die Füße aus dem Bett und setzte sich auf die Kante. Er erinnerte sich, wie er die Treppe hinaufgeführt worden war. Allmählich wurden die Dinge wieder klar. Er setzte sich auf den Stuhl und schnürte seine Turnschuhe zu. Der Fußboden war aus Holz und knarrte leise, als er zur Tür ging und sie öffnete. Die Angeln quietschten. Auf dem Flur war es still. Drei weitere Türen gingen davon ab, und sie waren alle geschlossen. Er schlich zur Treppe und ging auf Zehenspitzen hinunter, ganz gemächlich.
    Das Licht aus der Küche erregte seine Aufmerksamkeit, und er ging schneller. Der Wanduhr zufolge war

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