Der Klient
ausgestellt waren. Wer würde sich das Video eines schäbigen Andenkenladens im French Quarter ansehen wollen? Die Amerikaner erleben ihren Urlaub nicht mehr. Sie nehmen ihn einfach mit ihrer Sony auf, damit sie ihn für den Rest des Jahres ignorieren können.
Trumann sehnte sich nach einer Versetzung. Er hatte alles satt – die Touristen, den Verkehr, die Luftfeuchtigkeit, das Verbrechen und vor allem Roy Foltrigg. Er bog bei Rubinstein Brothers um die Ecke und strebte auf die Poydras zu.
Foltrigg fürchtete sich nicht vor harter Arbeit. Sie war für ihn etwas ganz Natürliches. Während des Studiums hatte er begriffen, daß er kein Genie war und daß er, um es zu schaffen, mehr Stunden investieren mußte. Er lernte Tag und Nacht und schloß irgendwo in der Mitte des Rudels ab. Aber er war zum Präsidenten der Studentenschaft gewählt worden, und an einer seiner Wände hing ein in Eiche gerahmtes Zertifikat, das diesen Ruhm verkündete. Es war eine Position gewesen, von der die meisten seiner Mitstudenten nicht wußten, daß sie existierte, und die ihnen völlig gleichgültig war. Stellenangebote waren dünn gesät für den jungen Roy. In letzter Minute ergriff er die Gelegenheit, als stellvertretender Ankläger für die Stadt New Orleans zu arbeiten. Fünfzehntausend Dollar pro Jahr, 1975. Nach zwei Jahren bearbeitete er mehr Fälle als alle anderen Ankläger der Stadt zusammen. Er arbeitete. Er investierte zahllose Stunden in einen Sackgassenjob, weil er vorankommen wollte. Er war ein Star, aber niemand bemerkte es.
Er begann, politisch bei den Republikanern in der Stadt mitzumischen, ein einsames Hobby, und lernte, wie man das Spiel spielt. Er begegnete Leuten mit Geld und Einfluß und erhielt eine Stellung in einer Anwaltskanzlei. Er arbeitete praktisch Tag und Nacht und wurde Partner. Er heiratete eine Frau, die er nicht liebte, weil sie die richtigen Beziehungen hatte und ihm Respektabilität verschaffte. Roy war auf dem Weg nach oben. Er hatte große Pläne.
Er war immer noch mit ihr verheiratet, aber sie schliefen in getrennten Schlafzimmern. Die Kinder waren jetzt zwölf und zehn. Die Familie gab ein nettes Bild ab.
Er zog das Büro seinem Heim vor, was seiner Frau nur recht war, denn sie mochte ihn nicht, wohl aber sein Gehalt.
Roys Konferenztisch war wieder einmal mit juristischen Büchern und Notizblöcken bedeckt. Wally hatte sich seines Jacketts und seiner Krawatte entledigt. Überall standen leere Kaffeetassen herum. Sie waren beide erschöpft.
Das Gesetz war ganz simpel. Jeder Bürger ist im Interesse der Gesellschaft verpflichtet, auszusagen und damit die Strafverfolgung zu unterstützen. Und ein Zeuge kann nicht von dieser Aussagepflicht entbunden werden, weil er sich vor Repressalien fürchtet, mit denen ihm und/oder seiner Familie gedroht wurde. Es war ein in schwarzen Lettern geschriebenes Gesetz, im Laufe der Jahre von Hunderten von Richtern in Stein gemeißelt. Keine Ausnahmen. Keine Freistellungen. Keine Schlupflöcher für verängstigte kleine Jungen. Roy und Wally hatten Dutzende von Fällen nachgelesen. Viele davon waren kopiert und angestrichen und auf dem Tisch verstreut worden. Der Junge würde reden müssen. Wenn die Sache mit dem Jugendgericht in Memphis nicht klappte, plante Foltrigg, eine Vorladung auszustellen, die Mark Sway zwang, vor der Anklagejury in New Orleans zu erscheinen. Das würde den Knirps zu Tode erschrecken und ihm die Zunge lösen.
Trumann kam durch die Tür und sagte: »Ihr macht Überstunden.«
Wally Boxx schob seinen Stuhl vom Tisch zurück und reckte die Arme über den Kopf. »Ja, es war eine Menge Material durchzuarbeiten«, sagte er erschöpft und deutete stolz auf die Stapel von Büchern und Notizen.
»Setzen Sie sich«, sagte Foltrigg und wies auf einen Stuhl. »Wir sind gerade fertig.« Er reckte sich gleichfalls, dann ließ er seine Knöchel knacken. Er liebte seine Reputation als Workaholic, ein bedeutender Mann, der nicht vor langen Arbeitsstunden zurückscheute, ein Familienvater, dem die Arbeit wichtiger war als Frau und Kinder. Der Job hatte Vorrang. Sein Mandant waren die Vereinigten Staaten von Amerika.
Trumann hatte diesen Achtzehn-Stunden-pro-Tag-Scheiß jetzt sieben Jahre lang mit angehört. Es war Foltriggs Lieblingsthema – über sich selbst zu reden und über die Stunden im Büro und den Körper, der ohne Schlaf auskam. Anwälte tragen ihren Mangel an Schlaf wie eine Ehrenmedaille. Wahre Machomaschinen, die rund um die Uhr
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