Der Klient
Ich habe ihn gründlich beraten. Wir haben ausführlich darüber gesprochen. Aber ich habe keine Ahnung, was er tun wird.«
Harry holte tief Atem, dann wurde ihm klar, daß der Eistee noch auf dem Podium stand. Er holte zwei Pappbecher von Finks Tisch und füllte beide mit Tee.
»Es ist offensichtlich, daß er etwas weiß, Reggie. Weshalb hat er so viele Lügen erzählt?«
»Er ist ein Kind, Harry. Er hatte fürchterliche Angst. Er hat mehr gehört, als er hätte hören sollen. Er sah, wie Clifford sich das Gehirn wegpustete. Er war total verängstigt. Sehen Sie sich seinen kleinen Bruder an. So etwas mitansehen zu müssen, ist furchtbar, und ich glaube, Mark hat anfangs befürchtet, er könnte in Schwierigkeiten geraten. Also hat er gelogen.«
»Das kann ich ihm nicht übelnehmen«, sagte Harry und griff nach einem Zwiebelring. Reggie biß in ein Gürkchen.
»Was denken Sie?« fragte sie.
Er wischte sich den Mund ab und dachte lange darüber nach. Dieser Junge gehörte jetzt ihm, er war eines von Harrys Kids, und von nun an mußte jede Entscheidung auf dem basieren, was für Mark Sway das beste war.
»Wenn ich einmal davon ausgehen kann, daß der Junge etwas weiß, was für die Untersuchung in New Orleans von Bedeutung ist, dann können mehrere Dinge passieren. Erstens, wenn Sie ihn in den Zeugenstand lassen und er die Informationen preisgibt, die Fink haben will, dann ist die Sache erledigt, soweit es meine Jurisdiktion betrifft. Der Junge verläßt das Gericht, aber er befindet sich in großer Gefahr. Zweitens, wenn Sie ihn in den Zeugenstand lassen und er weigert sich, Finks Fragen zu beantworten, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn zum Antworten zu zwingen. Wenn er sich weigert, macht er sich der Mißachtung des Gerichts schuldig. Er darf nicht schweigen, wenn er über wichtige Informationen verfügt. Auf alle Fälle wird Mr. Foltrigg, wenn diese Anhörung heute ohne befriedigende Antworten von seiten des Jungen zu Ende geht, vermutlich sehr schnell reagieren. Er wird Mark vor die Anklagejury zitieren, und ab geht’s nach New Orleans. Wenn er sich weigert, vor der Anklagejury zu reden, dann wird er bestimmt vom Bundesrichter wegen Mißachtung belangt und vermutlich inhaftiert.«
Reggie nickte. Sie war voll und ganz seiner Meinung. »Also, was tun wir, Harry?«
»Wenn der Junge nach New Orleans geht, verliere ich die Kontrolle über ihn. Ich würde ihn viel lieber hierbehalten. Wenn ich Sie wäre, würde ich ihn in den Zeugenstand stellen und ihm raten, die entscheidenden Fragen nicht zu beantworten. Zumindest vorerst nicht. Er kann es später immer noch tun. Er kann es morgen tun oder übermorgen. Ich würde ihm raten, dem Druck des Richters nicht nachzugeben und den Mund zu halten, zumindest fürs erste. Er kehrt in die Jugendhaftanstalt zurück, wo er vermutlich wesentlich sicherer aufgehoben ist als irgendwo in New Orleans. Indem Sie das tun, schützen Sie den Jungen vor den Gangstern in New Orleans, die sogar mir Angst machen, bis das FBI irgendetwas Besseres arrangieren kann. Und Sie gewinnen etwas Zeit und können abwarten, was Mr. Foltrigg in New Orleans zu unternehmen gedenkt.«
»Sie glauben, daß er in großer Gefahr schwebt?«
»Ja, und selbst wenn das nicht der Fall wäre, würde ich keine Risiken eingehen. Wenn er jetzt mit der Sprache herausrückt, könnte ihm etwas passieren. Ich habe nicht die Absicht, ihn heute freizulassen, unter gar keinen Umständen.«
»Was ist, wenn Mark nicht reden will, und Foltrigg kommt mit einer Vorladung vor die Anklagejury an?«
»Ich werde nicht zulassen, daß er nach New Orleans fährt.«
Reggie war der Appetit vergangen. Sie trank etwas Tee aus dem Pappbecher und schloß die Augen. »Das ist alles so unfair dem Jungen gegenüber, Harry. Er hätte Besseres verdient von diesem System.«
»Zugegeben. Was schlagen Sie vor?«
»Was ist, wenn ich ihn nicht aussagen lasse?«
»Ich werde ihn nicht freilassen, Reggie. Jedenfalls nicht heute. Vielleicht morgen. Oder übermorgen. Das alles hier geht fürchterlich schnell, und ich schlage vor, daß wir uns für den sichersten Weg entscheiden und abwarten, was in New Orleans geschieht.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Was ist, wenn ich ihn nicht aussagen lasse?«
»Nun, in Anbetracht der Beweise, die ich gehört habe, bliebe mir nichts anderes übrig, als ihn einer strafbaren Handlung zu bezichtigen und ihn zu Doreen zurückzuschicken. Natürlich kann ich das Urteil morgen wieder
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