Der Klient
nicht auffällig zu wirken. Es war drei Uhr nachmittags, Stunden vor dem Dunkelwerden, und sie konnten, wenn sie wollten, den ganzen Nachmittag herumfahren und Ausschau halten. Auch sie trug eine Saints-Kappe, einfarbig schwarz, die ihr kurzes graues Haar verdeckte. Ihre Augen waren hinter einer großen Sonnenbrille verborgen.
Sie hielt den Atem an, als sie den Briefkasten passierten, der an der Seite in kleinen, aufgeklebten Goldbuchstaben den Namen Clifford trug. Es war in der Tat ein großes Haus, aber nichts Besonderes für diese Gegend. Es war im englischen Tudor-Stil erbaut, aus dunklem Holz und dunklen Ziegelsteinen, und eine ganze Seite und der größte Teil der Vorderfront waren von Efeu überwachsen. Kein besonders hübsches Haus, dachte sie und erinnerte sich an den Zeitungsartikel, in dem gestanden hatte, daß Clifford der geschiedene Vater eines Kindes war. Es war offensichtlich, zumindest für sie, daß in diesem Haus keine Frau wohnte. Obwohl sie nur einen flüchtigen Blick darauf werfen konnte, während sie die Biegung durchfuhr und ihre Augen in alle Richtungen schweifen ließ, gleichzeitig Ausschau haltend nach Nachbarn, Polizisten, Gangstern, der Garage und dem Haus, fiel ihr doch auf, daß auf den Beeten keine Blumen wuchsen und die Hecken dringend geschnitten werden mußten. Hinter den Fenstern hingen öde, dunkle Vorhänge.
Es war nicht hübsch, aber auf jeden Fall friedlich. Es stand im Zentrum eines großen Grundstücks, umgeben von Dutzenden von massigen Eichen. Die Einfahrt führte an einer dicken Hecke entlang und verschwand irgendwo dahinter. Obwohl Clifford seit fünf Tagen tot war, war der Rasen frisch gemäht. Es gab keinerlei Hinweise darauf, daß das Haus jetzt unbewohnt war. Nichts an diesem ganzen Grundstück war irgendwie verdächtig. Vielleicht war es der ideale Ort, um eine Leiche zu verstecken.
»Da ist die Garage«, sagte Mark, der jetzt auch herausspähte. Sie war ein separates Gebäude, ungefähr fünfzehn Meter vom Haus entfernt und offenbar erheblich später errichtet. Neben der Garage war ein roter Triumph Spitfire aufgebockt.
Mark betrachtete das Haus durch das Rückfenster, während Reggie weiter die Straße entlangfuhr. »Was meinen Sie, Reggie?«
»Sieht ausgesprochen ruhig aus, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ist es das, womit du gerechnet hast?« fragte sie.
»Ich weiß nicht. Ich sehe mir all diese Polizeiserien an, und irgendwie habe ich erwartet, daß Romeys Haus von der Polizei ringsum mit gelben Band abgesperrt sein müßte.«
»Warum? Schließlich ist hier kein Verbrechen geschehen. Es ist einfach das Haus eines Mannes, der Selbstmord begangen hat. Weshalb sollte sich die Polizei dafür interessieren?«
Das Haus war außer Sichtweite, und Mark drehte sich um und setzte sich gerade hin. »Was meinen Sie, ob sie es durchsucht haben?« fragte er.
»Vermutlich. Ich bin sicher, daß sie einen Durchsuchungsbefehl für das Haus und sein Büro hatten, aber was konnten sie schon finden? Er hat sein kleines Geheimnis mitgenommen.«
Sie hielten an einer Kreuzung an, dann setzten sie ihre Tour durch das Viertel fort.
»Was passiert mit seinem Haus?«
»Er hat bestimmt ein Testament gemacht. Seine Erben werden das Haus und sein sonstiges Vermögen bekommen.«
»Ja. Wissen Sie, Reggie, ich glaube, ich brauche auch ein Testament. Wo doch alle möglichen Leute hinter mir her sind und so. Was meinen Sie?«
»Und was genau hast du zu vererben?«
»Nun, jetzt, wo ich berühmt bin, werden womöglich die Leute aus Hollywood an meine Tür klopfen. Mir ist klar, daß wir im Moment keine Tür haben, aber irgend etwas dergleichen wird doch bestimmt geschehen, glauben Sie nicht, Reggie? Ich meine, wir werden doch irgendwann wieder so etwas wie eine Tür haben? Auf jeden Fall werden sie einen Film drehen wollen über den Jungen, der zuviel wußte. Ich sage es ja nicht gern, aber wenn diese Gangster mich um die Ecke bringen, dann wird der Film ein Riesenerfolg, und Mom und Ricky werden in Geld schwimmen. Verstehen Sie?«
»Ich glaube schon. Du willst ein Testament, damit deine Mutter und Ricky die Filmrechte für deine Lebensgeschichte bekommen?«
»Genau das.«
»Du brauchst keines.«
»Warum nicht?«
»Sie bekommen das Geld ohnehin.«
»Um so besser. Dann spare ich die Anwaltskosten.«
»Können wir nicht über etwas anderes reden als über Tod und Testamente?«
Er verstummte und musterte die Häuser auf seiner Seite der Straße. Er hatte fast die ganze Nacht auf dem
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