Der Klient
Sie sie vorerst von uns fern«, sagte Dianne zu Greenway.
»Sie haben gefragt, ob sie Sie um neun sehen könnten, und ich habe nein gesagt. Aber sie werden nicht verschwinden.« Er schaute abermals auf die Uhr. »Ich komme um zwölf wieder. Vielleicht sollten wir dann mit ihnen reden.«
»Wie Sie meinen«, sagte sie.
»Also gut. Ich halte sie hin bis zwölf. Meine Helferin hat bei Ihrem Arbeitgeber und in der Schule angerufen. Versuchen Sie, sich deshalb keine Sorgen zu machen. Bleiben Sie einfach hier an diesem Bett, bis ich wiederkomme.« Er lächelte fast, als er die Tür hinter sich zumachte.
Dianne lief ins Badezimmer und zündete ihre Zigarette an. Mark betätigte die Fernbedienung neben Rickys Bett, bis der Fernseher an war und er die Lokalnachrichten gefunden hatte. Nichts als Wetterbericht und Sport.
Dianne las die Story über Mr. Clifford zu Ende und legte dann die Zeitung auf den Fußboden unter dem Klappbett. Mark schaute besorgt zu.
»Sein Mandant hat einen Senator der Vereinigten Staaten ermordet«, sagte sie beeindruckt.
Die Sache war ernst. Sie würden ihm etliche harte Fragen stellen, und Mark war plötzlich hungrig. Es war nach neun. Ricky hatte sich nicht bewegt. Die Schwestern hatten sie vergessen. Greenway schien fernste Vergangenheit zu sein. Irgendwo im Dunkeln wartete das FBI. Das Zimmer wurde von Minute zu Minute kleiner, und das billige Bett, auf dem er saß, ruinierte seinen Rücken.
»Ich möchte nur wissen, warum er es getan hat«, sagte er, weil ihm sonst nichts einfiel.
»Hier steht, Jerome Clifford hätte Beziehungen zur Mafia von New Orleans gehabt, und es würde allgemein vermutet, daß sein Mandant auch dazu gehört.«
Er hatte im Fernsehen »Der Pate« gesehen. Er hatte sogar die erste Fortsetzung des Films gesehen und wußte alles über die Mafia. Szenen aus den Filmen tauchten vor seinem geistigen Auge auf, und die Schmerzen in seinem Bauch wurden heftiger. Sein Herz hämmerte. »Ich habe Hunger, Mom. Hast du auch Hunger?«
»Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt, Mark?«
»Weil der Polizist im Wohnwagen war, und da war nicht die richtige Zeit zum Reden. Es tut mir leid, Mom. Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir alles erzählen, sobald wir allein waren. Ehrenwort.«
Sie rieb sich die Schläfen und sah so betrübt aus. »Du lügst mich nie an, Mark.«
Sag niemals nie. »Können wir später darüber reden, Mom? Jetzt habe ich wirklich Hunger. Gib mir ein bißchen Geld, und ich laufe hinunter in die Cafeteria und hole ein paar Doughnuts. Ein Doughnut wäre jetzt genau das Richtige. Ich bringe dir Kaffee mit.« Er war auf den Beinen und wartete auf das Geld.
Glücklicherweise war sie nicht in der rechten Stimmung für ein ernsthaftes Gespräch über Aufrichtigkeit und dergleichen. Das Schlafmittel wirkte nach, und das Denken fiel ihr schwer. Ihr Kopf dröhnte. Sie öffnete ihr Portemonnaie und gab ihm einen Fünfdollarschein. »Wo ist die Cafeteria?«
»Im Keller. Madison-Flügel. Ich war schon zweimal dort.«
»Weshalb bin ich nicht überrascht? Vermutlich bist du schon durch den ganzen Bau gestromert.«
Er nahm den Schein und stopfte ihn in die Tasche seiner Jeans. »Ja, Mom. Das hier ist die stillste Etage. Die Babies sind im Keller, und da unten herrscht das reinste Chaos.«
»Sei vorsichtig.«
Er machte die Tür hinter sich zu. Sie wartete, dann holte sie das Röhrchen mit Valium aus ihrer Handtasche. Greenway hatte es geschickt.
Mark verspeiste vier Doughnuts, während er sich »Donahue« ansah und gleichzeitig beobachtete, wie seine Mutter auf dem Bett zu schlafen versuchte. Er küßte sie auf die Stirn und erklärte, er müßte mal ein bißchen rumlaufen. Sie sagte, er sollte das Krankenhaus nicht verlassen.
Er benutzte wieder die Treppe, weil er überzeugt war, daß Hardy und das FBI und der Rest der Bande irgendwo unten nur darauf warteten, daß er zufällig vorbeikam.
Wie die meisten großen städtischen Krankenhäuser war auch St. Peter’s immer dann weiter ausgebaut worden, wenn irgendwo Geld lockergemacht werden konnte, ohne sonderliche Rücksicht auf architektonische Symmetrie. Es war eine ausgedehnte und verwirrende Ansammlung von Anbauten und Flügeln, mit einem Labyrinth aus Fluren und Korridoren und Zwischengeschossen, die verzweifelt versuchten, alles miteinander zu verbinden. Wo immer sie hineinpaßten, waren Fahrstühle und Rolltreppen eingebaut worden. Irgendwann im Laufe der Geschichte hatte jemand begriffen, wie schwierig es
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