Der Klient
Schwester in Texas, aber die beiden verstehen sich nicht. Und ihre Schwester hat ihre eigenen Probleme.«
»Großeltern?«
»Nein. Mein Ex-Vater war Waise. Wahrscheinlich haben seine Eltern ihn irgendwo ausgesetzt, nachdem sie ihn richtig kennengelernt hatten. Der Vater meiner Mutter ist tot, und ihre Mutter lebt auch in Texas. Sie ist ständig krank.«
»Das tut mir leid.«
Sie blieben am Ende des Flurs stehen und schauten durch ein schmutziges Fenster auf die Innenstadt von Memphis. Das Sterick Building ragte hoch auf.
»Die Leute vom FBI bedrängen mich.«
Willkommen im Club, dachte Mark. »Wo sind sie?«
»In Zimmer 28. Das ist ein kleiner Konferenzraum im zweiten Stock, der selten benutzt wird. Sie haben gesagt, sie erwarten mich, dich und deine Mutter um genau zwölf Uhr, und es hörte sich an, als meinten sie es ernst.« Greenway sah auf die Uhr und fing an, sich auf den Rückweg zu Rickys Zimmer zu machen. »Sie wollen unbedingt mit dir reden.«
»Ich bin bereit für sie«, sagte Mark. Es war ein schwacher Versuch, Kühnheit vorzutäuschen.
Greenway sah ihn überrascht an. »Auf einmal?«
»Ich habe für uns eine Anwältin engagiert.«
»Wann?«
»Heute vormittag. Sie ist jetzt hier, am anderen Ende des Flurs.«
Greenway schaute nach vorn, aber das Schwesternzimmer lag hinter einer Biegung des Ganges. »Die Anwältin ist hier?« fragte er ungläubig.
»Ja.«
»Wie hast du eine Anwältin gefunden?«
»Das ist eine lange Geschichte. Aber ich habe sie selbst bezahlt.«
Greenway dachte im Gehen darüber nach. »Nun, deine Mutter kann Ricky im Moment nicht alleinlassen, unter gar keinen Umständen. Und ich muß auch in der Nähe bleiben.«
»Kein Problem. Ich und meine Anwältin erledigen das.«
Sie blieben vor Rickys Tür stehen, und Greenway zögerte, bevor er sie aufstieß. »Ich könnte sie bis morgen hinhalten. Ich kann sie sogar aus dem Krankenhaus verweisen.« Er versuchte, sich zäh zu geben, aber Mark wußte es besser.
»Nein, vielen Dank. Sie werden nicht verschwinden. Sie kümmern sich um Ricky und Mom, und wir, ich und meine Anwältin, kümmern uns um das FBI.«
Reggie hatte einen leeren Raum im achten Stock gefunden, und sie eilten die Treppe hinunter, um ihn zu benutzen. Sie hatten zehn Minuten Verspätung. Sie machte schnell die Tür zu und sagte: »Zieh deinen Pullover hoch.«
Er erstarrte und sah sie fassungslos an.
»Zieh deinen Pullover hoch!« wiederholte sie, und er begann, an seinem dicken Memphis-State-Tigers-Sweatshirt zu zerren. Sie öffnete ihren Aktenkoffer und holte einen kleinen schwarzen Recorder und einen Plastikriemen mit Klettband heraus. Sie überprüfte die Mikrokassette, dann drückte sie die Knöpfe. Mark beobachtete jede ihrer Bewegungen. Es war offensichtlich, daß sie das Gerät schon oft benutzt hatte. Sie drückte es auf seinen Bauch und sagte: »Halt es hier fest.« Dann zog sie den Plastikriemen durch einen Clip am Recorder, wickelte ihn um seinen Körper und befestigte ihn sicher mit den Klettband-Enden. »Tief atmen«, sagte sie, und er tat es.
Er stopfte das Sweatshirt wieder in die Jeans. Reggie trat einen Schritt zurück und betrachtete seinen Bauch. »Perfekt«, sagte sie.
»Was ist, wenn sie mich durchsuchen?«
»Das werden sie nicht. Laß uns gehen.«
Sie ergriff ihren Aktenkoffer, und dann waren sie draußen. »Woher wissen Sie, daß sie mich nicht durchsuchen werden?« fragte er abermals, sehr nervös. Er ging schnell, um mit ihr Schritt zu halten. Eine Schwester musterte sie argwöhnisch.
»Weil sie hier sind, um mit dir zu reden, nicht, um dich zu verhaften. Vertrau mir einfach.«
»Ich vertraue Ihnen, aber ich habe wirklich Angst.«
»Du wirst deine Sache schon gut machen, Mark. Denk nur an das, was ich dir gesagt habe.«
»Und Sie sind sicher, daß sie dieses Ding nicht sehen können?«
»Ganz sicher.« Sie stieß eine Tür auf, und sie befanden sich wieder im Treppenhaus und eilten die grünen Betonstufen hinab. Mark war einen Schritt hinter ihr. »Was ist, wenn der Pieper losgeht oder sonst etwas, und sie drehen durch und ziehen ihre Pistolen? Was dann?«
»Es gibt keinen Pieper.« Sie ergriff seine Hand, drückte sie kraftvoll und eilte weiter in Richtung zweiter Stock. »Und sie schießen nicht auf Kinder.«
»In einem Film haben sie es mal getan.«
Der zweite Stock von St. Peter’s war viele Jahre vor dem neunten erbaut worden. Er war grau und schmutzig, und auf den engen Fluren wimmelte es von der üblichen
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