Der Klient
wegen gestern stellen.«
»Brauche ich einen Anwalt?«
Sie schauten einander mit offenen Mündern an, und es vergingen mindestens fünf Sekunden, bevor McThune den Kopf in Marks Richtung neigte und sagte: »Natürlich nicht.«
»Warum nicht?«
»Nun, weißt du, wir wollen dir bloß ein paar Fragen stellen. Das ist alles. Wenn du willst, daß deine Mutter dabei ist, dann holen wir sie. Aber einen Anwalt brauchst du nicht. Nur ein paar Fragen, das ist alles.«
»Ich habe aber schon mit der Polizei gesprochen, gestern abend. Ziemlich ausführlich sogar.«
»Wir sind nicht die Polizei. Wir sind FBI-Agenten.«
»Das ist es ja, was mir angst macht. Vielleicht brauche ich doch einen Anwalt, Sie wissen schon, damit er meine Rechte wahrnimmt und das alles.«
»Du hast zuviel ferngesehen, Junge.«
»Ich heiße Mark, okay? Können Sie mich wenigstens mit Mark anreden?«
»Natürlich. Entschuldige. Aber du brauchst keinen Anwalt.«
»Stimmt«, kam ihm Trumann zu Hilfe. »Anwälte kommen einem nur in die Quere. Man muß ihnen Geld bezahlen, und sie erheben gegen alles Einspruch.«
»Meinen Sie nicht, daß wir warten sollten, bis meine Mutter hier sein kann?«
Sie lächelten sich kurz an, und dann sagte McThune: »Eigentlich nicht, Mark. Ich meine, wir können warten, wenn du unbedingt willst, aber du bist ein intelligenter Junge, und wir haben es wirklich sehr eilig. Wir wollen dir nur ein paar kurze Fragen stellen.«
»Okay. Wenn es unbedingt sein muß.«
Trumann schaute auf seinen Notizblock und machte den Anfang. »Gut. Du hast der Polizei von Memphis erzählt, daß Jerome Clifford schon tot war, als ihr beide, du und Ricky, gestern den Wagen gefunden habt. Also, Mark, ist das wirklich die Wahrheit?« Die Frage klang ein wenig höhnisch, als wüßte er verdammt gut, daß es nicht die Wahrheit war.
Mark schaute starr geradeaus. »Muß ich die Frage beantworten?«
»Natürlich mußt du das.«
»Warum?«
»Weil wir die Wahrheit wissen müssen, Mark. Wir sind das FBI, wir untersuchen diese Sache, und wir müssen die Wahrheit wissen.«
»Was passiert, wenn ich sie nicht beantworte?«
»Oh, eine Menge Dinge. Wir könnten gezwungen sein, dich in unser Büro mitzunehmen, natürlich auf dem Rücksitz des Wagens, ohne Handschellen, und dir ein paar wirklich harte Fragen zu stellen. Möglicherweise müßten wir auch deine Mutter holen.«
»Was passiert mit meiner Mutter? Kann sie Ärger bekommen?«
»Vielleicht.«
»Welche Art von Ärger?«
Sie hielten eine Sekunde inne und wechselten nervöse Blicke. Sie hatten auf unsicherem Boden begonnen, und die Lage wurde von Minute zu Minute heikler. Kinder dürfen nicht befragt werden ohne das Einverständnis ihrer Eltern.
Aber zum Teufel. Seine Mutter war nicht erschienen. Er hatte keinen Vater. Er war ein armer Junge, und hier war er, ganz allein. Im Grunde war das ideal. Eine bessere Situation hätten sie sich gar nicht wünschen können. Nur ein paar rasche Fragen.
McThune räusperte sich und runzelte dann die Stirn. »Mark, hast du schon einmal etwas von Behinderung der Justiz gehört?«
»Ich glaube nicht.«
»Nun, das ist ein Verbrechen. Ein Verstoß gegen Bundesrecht. Eine Person, die etwas über ein Verbrechen weiß und dieses Wissen der Polizei oder dem FBI vorenthält, kann wegen Behinderung der Justiz schuldig gesprochen werden.«
»Und was passiert dann?«
»Nun, wenn eine solche Person schuldig gesprochen worden ist, kann sie bestraft werden. Du weißt schon, ins Gefängnis gesteckt werden oder so etwas.«
»Also, wenn ich Ihre Fragen nicht beantworte, müßten Mom und ich vielleicht ins Gefängnis?«
McThune wich ein Stück zurück und sah Trumann an. Das Eis wurde dünner. »Weshalb willst du die Frage nicht beantworten, Mark?« fragte Trumann. »Hast du etwas zu verheimlichen?«
»Ich habe einfach Angst. Und irgendwie kommt mir das nicht fair vor, weil ich erst elf bin, und Sie sind vom FBI, und meine Mutter ist nicht hier. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll.«
»Kannst du nicht einfach die Fragen beantworten, Mark, ohne deine Mutter? Du hast gestern etwas gesehen, und da war deine Mutter auch nicht dabei. Wir wollen nur wissen, was du gesehen hast.«
»Wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie dann einen Anwalt dabei haben wollen?«
»Bestimmt nicht«, sagte McThune. »Ich würde nie einen Anwalt haben wollen. Anwälte sind eine Pest. Eine wahre Pest. Wenn du nichts zu verbergen hast, brauchst du keinen Anwalt. Du brauchst nur
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