Der Klient
Krankenhaus, zusammen mit seiner Mutter. Die letzte Nacht haben sie in dem Krankenzimmer verbracht, bei dem jüngeren Bruder. Er heißt Ricky Sway. St. Peter’s, neunter Stock, Zimmer 943. Wir möchten, daß Sie den Jungen finden, feststellen, wo er sich im Moment aufhält, und ihm dann auf den Fersen bleiben.«
»Ziemlich einfach.«
»Vielleicht auch nicht. Er wird von der Polizei und wahrscheinlich auch von FBI-Agenten überwacht. Der Junge zieht einen ganzen Rattenschwanz hinter sich her.«
»Ich bekomme hundert Dollar pro Stunde, bar.«
»Das weiß ich.«
Sie nannte sich Amber, neben Alexis der Name, den sich die Stripperinnen und Prostituierten im French Quarter am liebsten zulegten. Sie nahm den Anruf entgegen, dann trug sie das Telefon ein paar Schritte in das winzige Badezimmer, wo Barry Muldanno sich gerade die Zähne putzte. »Es ist Gronke«, sagte sie und reichte ihm den Apparat. Er nahm ihn, drehte den Wasserhahn zu und bewunderte ihren nackten Körper, als sie unter die Decke kroch. Er blieb auf der Schwelle stehen. »Ja?« sagte er ins Telefon.
Eine Minute später stellte er den Apparat auf den Tisch neben dem Bett und trocknete sich rasch ab. Amber war irgendwo unter der Decke.
»Wann gehst du zur Arbeit?« fragte er, während er seine Krawatte band.
»Um zehn. Wie spät ist es?« Ihr Kopf tauchte zwischen den Kissen auf.
»Gleich neun. Ich muß was erledigen. Ich komme wieder.«
»Wozu? Du hast doch gekriegt, was du wolltest.«
»Vielleicht will ich noch mehr. Schließlich bezahle ich die Miete, Süße.«
»Das bißchen Miete. Kannst du mich nicht aus diesem Loch herausholen? Mir eine hübsche Wohnung beschaffen?« Er zupfte die Manschetten unter dem Jackett hervor und bewunderte sich selbst im Spiegel. Perfekt. Einfach perfekt. »Mir gefällt es hier.«
»Es ist ein Loch. Wenn dir etwas an mir läge, würdest du mir eine hübsche Wohnung beschaffen.«
»Ja, ja. Bis später, Süße.« Er knallte die Tür zu. Stripperinnen. Gib ihnen einen Job, dann eine Wohnung, kauf ihnen ein paar Klamotten, geh mit ihnen essen, dann können sie den Hals nicht voll kriegen und stellen Ansprüche. Sie waren eine kostspielige Angewohnheit, aber eine, von der er nicht loskam.
Er eilte in seinen Alligatorschuhen die Treppe hinunter und öffnete die auf die Dumaine Street hinausgehende Tür. Er schaute nach rechts und links, in dem sicheren Gefühl, daß er beobachtet wurde, dann bog er um die Ecke in die Bourbon Street ein. Er bewegte sich im Schatten, überquerte mehrfach die Straße, dann bog er um weitere Ecken und legte einen Teil der Strecke ein zweites Mal zurück. Er brachte im Zickzackkurs acht Häuserblocks hinter sich, dann verschwand er in Randy’s Oyster an der Decatur Street. Wenn er sie nicht abgeschüttelt hatte, dann waren sie Supermänner.
Randy’s war eine sichere Zuflucht. Es war ein altmodisches Speiselokal, lang und schmal, dunkel und immer überfüllt. Touristen hatten hier keinen Zutritt. Es gehörte der Familie und wurde von ihr betrieben. Er eilte die schmale Treppe zum zweiten Stock hinauf, wo Tische im voraus reserviert werden mußten und nur wenige Auserwählte eine Reservierung bekamen. Er nickte einem Kellner zu, grinste einen massigen Ganoven an und betrat ein Privatzimmer mit vier Tischen. Drei davon waren leer, und am vierten saß eine einsame Gestalt praktisch im Dunkeln und las beim Licht einer echten Kerze. Barry blieb stehen und wartete darauf, zum Nähertreten aufgefordert zu werden. Der Mann sah ihn und deutete auf einen Stuhl. Barry setzte sich folgsam.
Johnny Sulari war der Bruder von Barrys Mutter und das unangefochtene Oberhaupt der Familie. Ihm gehörte Randy’s, zusammen mit hundert anderen Unternehmen verschiedener Art. Wie gewöhnlich arbeitete er auch an diesem Abend, las bei Kerzenlicht Abrechnungen und wartete auf sein Essen. Heute war Dienstag, ein Abend wie jeder andere im Büro. Am Freitag würde Johnny mit einer Amber oder einer Alexis oder einer Sabrina hier sein und am Samstag mit seiner Frau.
Er war nicht erfreut über die Störung. »Was ist los?« fragte er.
Barry lehnte sich vor, wohl wissend, daß er in diesem Moment hier unerwünscht war. »Ich hab gerade mit Gronke in Memphis gesprochen. Der Junge hat sich eine Anwältin genommen und weigert sich, mit dem FBI zu reden.«
»Ich kann einfach nicht glauben, daß du dermaßen dämlich bist, Barry, weißt du das?«
»Das hast du mir schon öfter gesagt.«
»Ich weiß. Und ich sage es dir
Weitere Kostenlose Bücher