Der Klient
plötzlich der Name Barry Muldanno mit dem Verschwinden des Senators in Verbindung gebracht wurde, und das löste hektische Spekulationen über die schmutzigen Machenschaften der Mafia aus. Ein ziemlich furchterregendes erkennungsdienstliches Foto eines jungen Muldanno erschien in New Orleans auf der Titelseite. Die Zeitung wärmte die alten Stories über die Giftmülldeponie und die Mafia wieder auf. Das Messer war ein bekannter Killer mit einem Vorstrafenregister. Und so weiter und so weiter.
Roy Foltrigg hatte seinen grandiosen Einstieg in die Story, als er vor die Kameras trat und verkündete, daß Barry Muldanno wegen des Mordes an Senator Boyd Boyette angeklagt worden war. Auch er erschien auf den Titelseiten, sowohl in New Orleans als auch in Washington, und Clint erinnerte sich an ein ähnliches Foto in der Zeitung von Memphis. Eine große Neuigkeit, aber keine Leiche. Doch das kümmerte Mr. Foltrigg wenig. Er wetterte gegen das organisierte Verbrechen. Er verkündete einen sicheren Sieg. Er trug seine sorgsam vorbereiteten Predigten mit der Verve eines erfahrenen Bühnenschauspielers vor, brüllte immer genau im richtigen Moment, zeigte mit dem Finger, schwenkte die Anklageschrift. Er gab keinen Kommentar, was die fehlende Leiche anging, deutete aber an, daß er etwas wüßte, worüber er nicht sprechen konnte, und erklärte, er hätte keinerlei Zweifel daran, daß die Überreste des Senators gefunden werden würden.
Es gab weitere Fotos und Stories, als Barry Muldanno verhaftet wurde oder, richtiger, sich selbst dem FBI stellte. Er verbrachte drei Tage im Gefängnis, bis über eine Kaution verhandelt worden war, und es gab weitere Fotos, die ihn beim Verlassen des Gefängnisses zeigten. Er trug einen dunklen Anzug und lächelte in die Kameras. Er war unschuldig, erklärte er. Es war ein Rachefeldzug.
Es gab Fotos von Schaufelbaggern, aus einiger Entfernung aufgenommen, mit denen sich das FBI auf der Suche nach der Leiche durch den schlammigen Boden von New Orleans schaufelte. Es gab weitere Fotos von Foltriggs Auftritten vor der Presse. Es gab Serien von Untersuchungsberichten über die äußerst ergiebige Geschichte des organisierten Verbrechens in New Orleans. Aber die Suche dauerte an, und schließlich schien der Story die Luft auszugehen.
Der Gouverneur, ein Demokrat, ernannte einen Parteifreund für die restlichen anderthalb Jahre von Boyettes Amtszeit. Die Zeitung von New Orleans brachte eine Analyse der zahlreichen Politiker, die es kaum abwarten konnten, für den Senat zu kandidieren. Einer der beiden Republikaner, die Gerüchten zufolge interessiert waren, war Foltrigg.
Er saß neben ihr auf der Couch und rieb sich die Augen. Er war wütend auf sich selbst, weil er geweint hatte, aber daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Sie hatte ihm den Arm um die Schulter gelegt und tätschelte ihn sanft.
»Du brauchst kein Wort zu sagen«, wiederholte sie ruhig.
»Ich will es auch nicht. Vielleicht später, wenn ich unbedingt muß, aber nicht jetzt. Okay?«
»Okay, Mark.«
Es klopfte an der Tür. »Herein«, sagte Reggie, gerade laut genug, um gehört zu werden. Clint erschien mit einem Stapel Papiere und sah auf die Uhr.
»Tut mit leid, wenn ich störe. Aber es ist fast zehn, und Mr. Foltrigg wird gleich hier sein.« Er legte die Papiere auf den Tisch. »Das wolltest du sehen, bevor er kommt.«
»Sag Mr. Foltrigg, es gäbe nichts zu besprechen«, sagte Reggie.
Clint runzelte die Stirn und sah Mark an. Er saß so nahe bei ihr, als brauchte er Schutz. »Du willst ihn nicht sehen?«
»Nein. Sag ihm, das Treffen fällt aus, weil wir nichts zu sagen haben«, sagte sie und nickte Mark zu.
Clint schaute abermals auf die Uhr und wich betreten bis zur Tür zurück. »Wird gemacht«, sagte er dann lächelnd, als genösse er plötzlich die Idee, Foltrigg sagen zu können, er sollte verschwinden. Er machte die Tür hinter sich zu.
»Bist du okay?« fragte sie.
»Nicht besonders.«
Sie beugte sich vor und begann, sich die Kopien der Zeitungsausschnitte anzusehen. Mark saß wie benommen da, müde und erschöpft, immer noch verängstigt, selbst nachdem er sich mit seiner Anwältin beraten hatte. Sie überflog die Seiten, las die Schlagzeilen und die Überschriften und zog die Fotos näher zu sich heran. Nach ungefähr einem Drittel hielt sie plötzlich inne und lehnte sich auf der Couch zurück. Sie zeigte Mark eine Nahaufnahme von Barry Muldanno, wie er in die Kamera lächelte. Es stammte aus der
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