Der Klient
Zeitung von New Orleans. »Ist das der Mann?«
Mark betrachtete das Foto, ohne es anzufassen. »Nein. Wer ist es?«
»Das ist Barry Muldanno.«
»Das ist nicht der Mann, der mich gepackt hat. Aber vermutlich hat er massenhaft Freunde.«
Sie steckte das Foto wieder in den Stapel auf dem Tisch und klopfte ihm aufs Bein.
»Was werden Sie jetzt tun?« fragte er.
»Ein paar Anrufe machen. Ich rede mit dem Verwaltungsdirektor des Krankenhauses und veranlasse, daß Rickys Zimmer bewacht wird.«
»Sie dürfen ihm nichts von diesem Mann sagen, Reggie. Sie bringen uns um. Wir dürfen es niemandem sagen.«
»Das tue ich auch nicht. Ich sage den Leuten im Krankenhaus, daß es ein paar Drohungen gegeben hat. Das ist Routine in Kriminalfällen. Sie werden ein paar Wachmänner in der Nähe seines Zimmers im neunten Stock postieren.«
»Mom will ich es auch nicht sagen. Sie hat mit Ricky genug um die Ohren, und sie nimmt Tabletten zum Schlafen und Tabletten für dieses und jenes, und ich glaube einfach nicht, daß sie damit auch noch fertig werden könnte.«
»Du hast recht.« Er war ein zäher kleiner Bursche, auf den Straßen großgeworden und über sein Alter hinaus vernünftig. Sie bewunderte seinen Mut.
»Glauben Sie, daß Mom und Ricky in Sicherheit sind?«
»Natürlich. Diese Männer sind Profis, Mark. Sie begehen keine Dummheiten. Sie bleiben in Deckung und halten die Ohren offen. Kann sein, daß sie nur bluffen.« Es hörte sich nicht aufrichtig an.
»Nein, die bluffen nicht. Ich habe das Messer gesehen, Reggie. Sie sind nur aus einem Grund in Memphis, und der ist, mir eine Heidenangst einzujagen. Und sie haben es geschafft. Ich sage kein Wort.«
15
F oltrigg brüllte nur einmal, dann stürmte er, wilde Drohungen ausstoßend, aus dem Büro und knallte die Tür hinter sich zu. McThune und Trumann waren frustriert, aber auch peinlich berührt von seiner Unbeherrschtheit. Als sie gingen, verdrehte McThune in Richtung Clint die Augen, als wollte er sich für diesen aufgeblasenen Schreihals entschuldigen. Clint genoß den Moment, und als der Staub sich gelegt hatte, ging er in Reggies Büro.
Mark hatte sich einen Stuhl zum Fenster gezogen und beobachtete, wie es auf die Straße und den Gehsteig unter ihm regnete. Reggie hatte den Verwaltungsdirektor des Krankenhauses am Telefon und erörterte mit ihm die Sicherheitsmaßnahmen im neunten Stock. Sie deckte die Sprechmuschel mit der Hand ab, und Clint flüsterte ihr zu, daß sie fort waren. Er ging, um weiteren Kakao für Mark zu holen, der reglos dasaß.
Nur Minuten später nahm Clint einen Anruf von George Ord entgegen und informierte Reggie über die Gegensprechanlage. Sie war dem Bundesanwalt von Memphis noch nie begegnet, aber es überraschte sie nicht, daß er sie anrief. Sie ließ ihn eine volle Minute warten, dann nahm sie den Hörer ab. »Hallo?«
»Ms. Love, hier ist …«
»Ich heiße Reggie, okay? Einfach Reggie. Und Sie sind George, nicht wahr?« Sie nannte jedermann beim Vornamen, sogar pedantische Richter in ihren ordentlichen kleinen Gerichtssälen.
»Also gut, Reggie. Hier spricht George Ord. Roy Foltrigg ist in meinem Büro, und …«
»Was für ein Zufall. Er hat meines gerade verlassen.«
»Ja, und das ist der Grund für meinen Anruf. Er bekam keine Gelegenheit, mit Ihnen und Ihrem Mandanten zu reden.«
»Sagen Sie ihm, es täte mir leid. Mein Mandant hat ihm nichts zu sagen.« Beim Reden betrachtete sie Marks Hinterkopf. Wenn er zuhörte, so war es ihm nicht anzumerken. Er saß wie erstarrt auf dem Stuhl am Fenster.
»Reggie, ich meine, es wäre klüger, wenn Sie sich zumindest mit Mr. Foltrigg treffen würden.«
»Ich habe nicht den Wunsch, mich mit Mr. Foltrigg zu treffen, und mein Mandant auch nicht.« Sie konnte sich gut vorstellen, wie Ord ernst ins Telefon sprach, während Foltrigg armeschwenkend in seinem Büro herumwanderte.
»Nun, das dürfte nicht das Ende der Geschichte sein, wissen Sie?«
»Ist das eine Drohung, George?«
»Eher ein Versprechen.«
»Gut. Sagen Sie Roy und seinen Mannen, falls irgendjemand versuchen sollte, sich an meinen Mandanten oder seine Angehörigen heranzumachen, dann kriege ich sie am Arsch. Okay, George?«
»Ich werde die Botschaft weitergeben.«
Es war im Grunde ein Spaß – schließlich war es nicht sein Fall –, aber Ord konnte nicht darüber lachen. Er legte den Hörer wieder auf, lächelte vor sich hin und sagte dann: »Sie sagt, sie redet nicht, der Junge redet nicht, und wenn Sie oder
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