Der Knochenbrecher
Spurensicherung den Pick-up untersucht hat, haben sie das Hemd und die Schuhe des Jungen sichergestellt. Auf dem Hemd, auf den Schuhen, am Armaturenbrett und an der Innenseite der Beifahrertür war Blut. Andrews Blut. Labortests haben das bestätigt.«
»Gab es keine Ermittlung zum Verschwinden des Jungen?«
»Doch, natürlich. Aber auÃer den Sachen, die ich Ihnen gerade genannt habe, wurde nichts gefunden. Wir wissen nicht, wohin Ray mit seinem Sohn gefahren ist, Detective â zum Sonoma Lake, Rio Nido oder zum Russian River. Rund um Healdsburg und die angrenzenden Flüsse gibt es hektarweise Wald. Vielleicht hat er seinen Sohn getötet und ihn irgendwo verscharrt oder ihn liegen lassen, und die Wölfe haben ihn gefunden. Vielleicht hat er die Leiche auch mit Gewichten beschwert und im Wasser versenkt. Ohne zu wissen, wohin sie an dem Tag gefahren waren, war es so gut wie unmöglich, die Leiche zu finden. Wir haben es natürlich trotzdem versucht, aber ohne Erfolg.«
Der Chief nahm seine Brille ab und rieb sich die Nasenwurzel, wo die Seitenstege Abdrücke hinterlassen hatten.
»Ray war ein anständiger Kerl, aber er litt unter Depressionen«, fuhr er fort. »Ich glaube, er wusste bereits ein paar Tage vor dem schrecklichen Ereignis von Emilys Affäre, weil er nämlich seine Tat genau durchgeplant hatte. Es war keine Affekttat, obwohl es auf den ersten Blick den Anschein machte, weil die Tatorte so wüst aussahen. Wir haben angenommen, dass Ray dahintergekommen war, dass Emily sich immer dann mit ihrem Liebhaber traf, wenn er selbst nicht zu Hause war. Also hat er ihren gemeinsamen Sohn aus dem Haus gelockt, ihn getötet und die Leiche dann irgendwo abgelegt. Dann ist er zu Nathan Gardners Wohnung gefahren, hat ihn verstümmelt, woran er später verblutet ist, und ihm den Mund zugenäht. Danach ist er nach Hause zurückgekehrt, um seine Frau zur Rede zu stellen und seinen wahnsinnigen Racheplan zu vollenden.«
Chief Cooper verstummte und sah Hunter in die Augen.
»Und ich habe keinerlei Zweifel, dass nach Rays Plan niemand mit dem Leben davonkommen sollte. Niemand .«
94
Garcia stand vor dem zerwühlten Bett und starrte auf das Chaos um ihn herum.
Jessica Blacks Freund Mark Stratton hatte seine KonzertÂreise abgebrochen und war früh am Morgen nach L. A. zurückgekehrt. Garcia hatte ihn in die Rechtsmedizin begleitet, wo er Jessicas Leiche identifiziert hatte.
Ganz egal wie stark man körperlich und seelisch ist, auf den Anblick eines geliebten Menschen, der im Leichenschauhaus nackt auf einem kalten Stahltisch liegt, ist niemand vorbereitet. Obwohl die Fäden gezogen worden waren, schien Jessicas Gesicht zu einer Fratze aus Entsetzen und Qual erstarrt. Mark musste nicht erst fragen, ob sie gelitten hatte.
Er hatte kaum den Raum betreten, als seine Knie nachgaben. Garcia gelang es gerade noch, ihn festzuhalten, bevor er zu Boden sackte.
Hunter hatte Mark am Telefon erklärt, dass Jessica möglicherweise aus ihrer gemeinsamen Wohnung heraus verschleppt worden war. Er hatte auch betont, wie wichtig es deshalb sei, dass die Polizei sich die Wohnung sobald wie möglich ansah und dass er bis dahin nichts anfassen dürfe.
Leider kam es etwas anders.
Nach dem Telefonat mit Hunter hatte Mark nicht mehr aufhören können zu zittern. Immer und immer wieder hatte er abwechselnd die gemeinsame Festnetznummer und Jessicas Handynummer gewählt und unzählige Nachrichten hinterlassen. Von Gefühlen überwältigt, hatte er nicht mehr klar denken können. Er hatte die Beherrschung verloren und in seinem Schmerz und seiner unbändigen Wut sein Hotelzimmer verwüstet.
Seine Bandkollegen waren vollkommen ratlos gewesen. Sie mussten schlieÃlich die Tür eintreten und ihn mit Gewalt festhalten. Dann brauchte der Tour-Manager mehrere Stunden, um die Angelegenheit mit dem Hotel zu klären und einen Rückflug nach Los Angeles zu organisieren. Als es endlich losgehen konnte, war Mark derart betrunken, dass man ihm am Flughafen nicht erlaubte, in die Maschine zu steigen.
»Beförderungsrichtlinien«, erklärte die junge Frau am Schalter. »Er steht unter starkem Alkoholeinfluss. Tut mir leid.«
Das war der letzte Linienflug nach Los Angeles gewesen. In der Not musste ein Privatjet gechartert werden, der Mark sicher nach L. A. zurückbrachte.
Nachdem ein Taxi ihn zu Hause abgesetzt hatte, war
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