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Der Knochenbrecher

Der Knochenbrecher

Titel: Der Knochenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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durchdrehten. Er betrachtete sie noch eine Zeitlang, dann beugte er sich über den Tisch.
    Â»Ich glaube, Sie konnten sich von dem Fall emotional nicht distanzieren«, sagte er mit ruhiger, fester Stimme. »Sie hatten jede Menge Erfahrung, also muss irgendetwas daran Sie sehr erschüttert haben. Ich vermute, Sie hatten den Verdacht, dass in der Familie irgendetwas Schreckliches vorgeht. Mit Billy. Nur hatten Sie keine ausreichenden Beweise, um Ihren Verdacht zu untermauern. Ich glaube, dass Sie noch einmal zu Billys Pflegeeltern gegangen sind, um sie zur Rede zu stellen. Und dann ist die Sache aus dem Ruder gelaufen.«
    Keine Reaktion von Myers.
    Â»Wenn das stimmt … dann hätte ich an Ihrer Stelle wahrscheinlich genau dasselbe getan.«
    Myers nippte langsam an ihrem Drink. Ihr Blick war noch immer auf Hunters Gesicht gerichtet. Dann stellte sie ihr Glas zurück auf den Tisch. Hunter hielt ihren Blick fest.
    Â»Sie ist gesprungen«, sagte Myers ruhig. »Angela Fairfax ist gesprungen.«
    Hunter wartete.
    Â»Ich wurde damals als Erste zu dem vermeintlichen Selbstmörder gerufen«, begann sie. »Ich war zwei Minuten später vor Ort und habe die Vorschriften sofort über Bord geworfen. Mir blieb gar keine andere Wahl, ich hatte einfach nicht die Zeit, auf Verstärkung zu warten. Ich wusste so gut wie nichts über den Jungen. Als ich aufs Dach kam, saß da dieses Kind auf der Kante. Er saß einfach nur da, seinen Teddybär im Arm, und hat auf einem Blatt Papier etwas gemalt. Billy war so klein. Er sah so zerbrechlich aus … zu Tode verängstigt. Deswegen konnte ich nicht auf Verstärkung warten. Ein Windstoß, und es hätte ihn vom Dach geweht.«
    Sie schob sich eine lose Haarsträhne hinters linke Ohr.
    Â»Er hat geweint«, fuhr sie fort. »Ich habe ihn gefragt, was er da oben macht. Er hat gesagt, er würde malen.« Sie trank erneut aus ihrem Glas, diesmal nahm sie einen langen tiefen Schluck. »Ich habe ihm gesagt, dass das Dach kein besonders sicherer Platz zum Malen ist. Wissen Sie, was er geantwortet hat?«
    Hunter schwieg.
    Â»Er hat geantwortet, es sei sicherer als in der Wohnung, wenn sein Onkel zu Hause war. Er hat gesagt, wie sehr er seine Eltern vermisst. Dass es ungerecht wäre, dass sie bei dem Unfall ums Leben gekommen wären und nicht er. Dass sie ihm nie so weh getan hätten wie sein Onkel Peter.«
    Hunter spürte, wie ihm die Kehle eng wurde.
    Â»Ich konnte sehen, dass der Junge völlig am Ende war«, fuhr Myers fort, »aber mein oberstes Ziel war es, ihn von der Dachkante wegzuholen. Ich habe weitergeredet und bin dabei Schritt für Schritt immer näher an ihn herangegangen. Ich wollte nah genug bei ihm sein, für den Fall, dass ich ihn packen und zurückreißen muss. Ich habe ihn gefragt, was er da malt, und er hat das oberste Blatt von seinem Block abgerissen und es mir gezeigt.« Zum ersten Mal, seit sie mit ihrer Erzählung begonnen hatte, wandte sie den Blick von Hunter ab und starrte auf die Tischplatte. »Er hatte sein Kinderzimmer gemalt. Ganz einfach, nur die Umrisse und Strichmännchen mit angedeuteten Gesichtern. Da war ein Bett mit einem kleinen Strichmännchen darin.« Myers verstummte und schluckte. »Und ein größeres Strichmännchen lag auf ihm.«
    Hunter hörte zu.
    Â»Und jetzt kommt das Schlimmste: Neben dem Bett stand eine Strichfrau.«
    Â»Seine Tante wusste Bescheid.« Es war keine Frage.
    Myers nickte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Sie waren seine Pflegeeltern. Sie hätten ihn beschützen müssen, und stattdessen haben sie seine Seele vergewaltigt.« Sie stürzte ihren Whisky in einem Schluck hinunter. »Ich habe ihm versprochen, wenn er mit mir kommt, wenn er aufsteht und mit mir kommt, dann würde ihm sein Onkel nie mehr etwas antun. Zuerst hat er mir nicht geglaubt. Er hat mir gesagt, ich soll es schwören, also habe ich geschworen.« Eine schwere Pause folgte. »Das hat ihn überzeugt. Er hat gesagt, er glaubt mir, weil ich Polizistin bin. Polizisten dürften nicht lügen, sie müssten anderen Menschen helfen. Billy ist aufgestanden und hat sich zu mir umgedreht. Ich habe ihm die Hand hingehalten, und er hat sein kleines dünnes Ärmchen nach mir ausgestreckt. Und dann ist er ausgerutscht.«
    Â»Er ist gar nicht gesprungen, so wie es im Bericht stand?«
    Myers schüttelte den

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