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Der Knochenbrecher

Der Knochenbrecher

Titel: Der Knochenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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Kopf.
    Eine Zeitlang sprach keiner von ihnen ein Wort.
    Die Kellnerin kam an den Tisch zurück und runzelte verwirrt die Stirn, als sie Hunters unberührten Teller sah. »Stimmt was nicht mit dem Essen?«
    Â»Was?« Hunter schüttelte den Kopf. »Ach so, nein, es ist ganz ausgezeichnet. Ich bin noch nicht fertig. Lassen Sie den Teller einfach stehen.«
    Â»Ich nehme noch einen.« Myers zeigte auf ihr leeres Glas. »Balvenie, zwölf Jahre.«
    Die Kellnerin nickte und verschwand.
    Â»Ich bin noch auf ihn zugesprungen«, fuhr Myers fort. »Meine Finger haben seine Hand gestreift. Aber ich habe sie nicht zu fassen bekommen. Er war so schmächtig, dass es seinen Körper regelrecht zerschmettert hat, als er unten auf dem Pflaster aufgekommen ist.«
    Hunter fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    Â»Ich habe zwei Tage gebraucht, um den Mut aufzubringen, noch mal hinzufahren.« Sie hielt inne, um nach den richtigen Worten zu suchen. »Obwohl – eigentlich war das in mir drin gar kein Mut – es war blanker Hass. Ich wollte kein Geständnis. Ich wollte ihnen eine Lektion erteilen. Ich wollte, dass sie zumindest einen Bruchteil der Angst empfinden, die Billy empfunden hatte.« Auf einmal bebte ihre Stimme vor Zorn. »Er war zehn Jahre alt und so gestört und verängstigt, dass er lieber von einem Hochhaus gesprungen wäre, als in die Familie zurückzukehren, die ihn hätte lieben sollen. Sie sind Psychologe. Sie wissen, dass zehnjährige Kinder normalerweise keinen Suizid begehen. In dem Alter sollte man nicht mal wissen, dass es so was überhaupt gibt.«
    Die Kellnerin kehrte mit Myers’ Drink zurück und stellte ihn vor sie auf den Tisch.
    Â»Ich bin hoch in ihre Wohnung und habe sie zur Rede gestellt. Angela hat sofort angefangen zu weinen, aber Peter war eiskalt. Ihm war das alles scheißegal. In dem Moment ist irgendwas über mich gekommen. Ich habe sie gezwungen, sich mit Kabelbinder aneinanderzufesseln, und bin mit ihnen aufs Dach. Genau an dieselbe Stelle, von der Billy abgestürzt war. Und dann ist es passiert.«
    Hunter beugte sich vor, sagte aber nichts, sondern ließ Myers in ihrem eigenen Tempo fortfahren.
    Â»Angela hat angefangen, völlig hysterisch zu schluchzen, aber nicht weil sie Angst hatte. Sie konnte ihre eigene Schuld nicht mehr ertragen, sie musste alles rauslassen. Sie sagte, sie würde sich so sehr schämen, aber sie hätte zu viel Angst davor gehabt, was Peter mit ihr und Billy machen würde, wenn sie irgendjemandem davon erzählt. Sie wurde von ­Peter nämlich auch vergewaltigt und geschlagen. Sie hat gesagt, dass sie immer wieder daran gedacht hat, Billy zu nehmen und mit ihm wegzulaufen, aber sie hat nicht gewusst, wohin. Sie hatte kein Geld und keine Freunde, und ihre Familie wollte nichts mit ihr zu tun haben. Als sie das gesagt hat, ist Peter komplett ausgerastet. Er hat sie angebrüllt, sie soll die Schnauze halten, und hat sie ins Gesicht geschlagen. Allein dafür hätte ich ihn um ein Haar erschossen.«
    Myers verstummte erneut, um einen Schluck zu trinken.
    Â»Aber Angela ist mir zuvorgekommen. Die Ohrfeige hat sie gar nicht wahrgenommen. Sie hat gesagt, dass sie ihre Hilflosigkeit satt ist, aber dass das alles jetzt ein Ende haben würde. Sie hat mich angesehen, und ihre Augen brannten förmlich, so entschlossen war sie. Sie hat gesagt: ›Danke, dass Sie mir die Chance gegeben haben, etwas wiedergutzumachen. Es tut mir so schrecklich leid wegen Billy.‹ Und dann hat sie sich vom Dach gestürzt. Peter war noch an sie gefesselt.«
    Hunter suchte in Myers’ Gesicht nach Anzeichen dafür, dass sie log – unbewusste Muskelbewegungen, vermehrtes Blinzeln … Doch das Einzige, was er sah, war eine stille Traurigkeit.
    Â»Angela war eine stabile Frau, und Peter war lang und eher schmächtig. Er hat nicht damit gerechnet. Ihr Gewicht hat ihn in die Tiefe gezogen, aber er konnte sie trotzdem noch für einen kurzen Moment halten. Und in diesen paar Sekunden hat er mich mit panischen Augen angesehen und mich um Hilfe angefleht.« Eine Pause. »Ich habe mich umgedreht und bin weggegangen.«
    Sie saßen schweigend, während Hunter die Geschichte verdaute.
    Â»Also, was ist? Glauben Sie, dass ich lüge?«, fragte Myers schließlich.
    Das war der Grund, weshalb Myers damals niemandem erzählt hatte, was wirklich passiert war. Kein

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