Der Knochenbrecher
oder jemand da oben war mächtig von Ihnen beeindruckt.«
Nach wie vor kein Wort von Hunter.
»Jetzt sind Sie Detective beim berüchtigten Morddezernat I, wo man Sie liebevoll das âºEin-Mann-Zombie-Teamâ¹ nennt.« Sie schmunzelte. »Drolliger Spitzname, haben Sie sich den selber ausgedacht?«
Sie redete sofort weiter, gänzlich unbeeindruckt von Hunters ausbleibender Reaktion.
»Ihr Spezialgebiet sind extrem gewalttätige Verbrechen, und Ihre Verhaftungsquote ist geradezu beängstigend hoch. Ihr Buch ist Pflichtlektüre an der FBI -Akademie. Habe ich was ausgelassen?«
Hunter hatte nie ein Buch geschrieben, aber einer seiner Professoren an der Universität war von seiner Dissertation über kriminelle Verhaltensmuster so beeindruckt gewesen, dass er sie an einen Bekannten bei der FBI -Akademie in Virginia weitergeleitet hatte. Der wiederum hatte sie dem akademischen Direktor auf den Tisch gelegt, und wenige Wochen später hatte der junge Robert Hunter eine Einladung nach Quantico erhalten, um dort vor erfahrenen Officern und Ausbildern zu sprechen. Der eintägige Vortrag war zu einem einwöchigen Seminar geworden, an dessen Ende der Direktor Hunter um Erlaubnis gebeten hatte, seine Dissertation als Pflichtlektüre für sämtliche angehenden FBI -Agenten verwenden zu dürfen. Inzwischen verlässt niemand mehr Quantico, ohne sie gelesen zu haben.
»Sie haben sich meine Lebensgeschichte zu Gemüte geführt«, sagte Hunter schlieÃlich. »Das müssen ein paar ziemlich einschläfernde Minuten gewesen sein.«
»Ganz im Gegenteil. Ich fand sie unglaublich schillernd.« Erneut lächelte Myers. »Obwohl es da eine seltsame Lücke gab. Einige Jahre lang waren Sie wie vom Erdboden verschluckt. Ãber diese Zeit gibt es keine noch so winzige Information. Und mein Recherche-Team ist das beste weit und breit.«
Hunter sagte nichts.
»Aber eins muss ich Sie doch fragen: Wieso um alles in der Welt sind Sie zur Polizei gegangen? Mit einem Lebenslauf wie Ihrem hätten Sie beim FBI anfangen können, bei der NSA , der CIA  â Sie hätten freie Auswahl gehabt.«
»Sie haben es sich wohl in den Kopf gesetzt, mir einen neuen Job zu besorgen?«
Sie lächelte.
Die Kellnerin brachte Hunters Shrimps-Teller. Als sie sich entfernte, wanderte Hunters Blick von seinem Glas zu Myers. »Ich hatte Orangensaft bestellt.«
»Ich weië, antwortete sie unbekümmert. »Aber früher oder später wären Sie sowieso auf Scotch umgestiegen, ich habe Ihnen bloà geholfen, Zeit zu sparen.« Sie hielt inne. »Sie müssen einen Mordshunger haben. Das nenne ich mal eine amtliche Portion.«
»Möchten Sie was abhaben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Hauen Sie nur rein.«
Hunter tauchte einen Shrimp in das Schälchen mit scharfer SoÃe und biss ab.
Myers lieà ein paar Sekunden verstreichen. »Wenn Sie so gut sind, wie in Ihrer Akte steht, dann haben Sie mich garantiert auch überprüft und wissen inzwischen, dass ich Sie angelogen habe.«
Hunter nickte. »Es gibt keinen Exfreund.«
Myers musterte Hunters Gesicht. »Aber das wussten Sie gestern schon, oder?«
Wieder nickte er.
»Wenn Ihnen klar war, dass ich lüge, warum haben Sie mich dann nicht festgenommen?«
»Sinnlos. Sie waren selbst bei der Polizei, Sie wussten genau, dass wir keine Handhabe hatten, Sie zu zwingen, den Namen Ihres Klienten preiszugeben. Wenn Sie sich geweigert hätten zu kooperieren, dann hätte uns die Sache einfach nur jede Menge Zeit gekostet. Und Zeit ist etwas, was ich nicht habe. Betrachten wir es quasi als kleine berufliche Gefälligkeit.«
Myers lachte laut auf. »Bullshit. Sie dachten, Sie würden selbst rausfinden, für wen ich arbeite. Aber da haben Sie sich ein bisschen überschätzt, was?«
Sie sahen sich einen Moment lang schweigend an.
»Ich war gestern Nacht in Kelly Jensens Wohnung, weil ich einem Verdacht nachgehen wollte«, räumte Myers schlieÃlich ein und nahm einen Schluck von ihrem Drink.
»Und dieser Verdacht war �«
»Dass Kellys Verschwinden und das Verschwinden der Frau, nach der ich suche, irgendwie miteinander in Zusammenhang stehen.«
Hunter legte seine Gabel weg.
»Aber ich habe nichts in ihrer Wohnung gefunden, was meinen Verdacht bestätigt hätte. Sie wurde nicht von dort entführt.
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