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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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ein. An der Wand stand ein hoher Kühlschrank mit blitzenden Stahltüren, während etliche schwere Kupfertöpfe von einem über dem Herd angebrachten Gestell herabhingen. Ringsum standen eichene Küchenschränke mit Scheiben aus altem Glas.

    »Sehr beeindruckend«, sagte Driscoll und nahm ein gefülltes Whiskeyglas entgegen.
    »Ich habe die Wohnung vor ein paar Monaten neu eingerichtet. Freut mich, dass es dir gefällt.«
    »Und wie.«
     
    Als Driscoll mit der dampfenden Platte ins Esszimmer kam, hatte Margaret bereits ein schlichtes schwarzes Kleid angezogen und das Haar zu einem Knoten aufgesteckt. Der Tisch war mit Noritake-Porzellan und Georg-Jensen-Besteck gedeckt. Zwei schlanke Kerzen brannten in Art-déco-Kerzenständern.
    »So soll es sein, wenn zwei Cops zusammen essen«, sagte Driscoll.
    »Ich hab den Wein vergessen.« Margaret eilte in die Küche und kehrte mit einer Flasche Mondavi Fumé Blanc zurück.
    Driscoll schenkte beiden großzügig ein, worauf sie miteinander anstießen und ihr Mahl begannen.
    »Wie wär’s mit etwas Musik?«, fragte Margaret zögerlich, als sie fertig waren.
    »Kann nichts schaden.«
    Kurz darauf erklang »Chances Are« von Johnny Mathis.
    »Tanz mit mir«, hörte Margaret sich sagen. Hatte der Wein sie so mutig gemacht?
    Driscoll sah sie verblüfft an.
    »Was hast du denn? Spricht irgendwas dagegen, wenn zwei Cops ein bisschen zu stimmungsvoller Musik tanzen?« Margaret kam sich vor, als würde sie stottern.
    Ein Luftzug blies eine der beiden Kerzen aus, während Mathis’ Stimme weiter den Raum füllte.

    Auf einmal fand sich Driscoll in Margarets Armen wieder. Er bewegte sich langsam im Takt zur Musik und genoss die Intimität mit einer Frau, einer temperamentvollen, sinnlichen Frau. Der Duft ihres Parfüms umhüllte die beiden Tanzenden. Es roch nach Frühlingsanfang, und Driscoll fand es zart und betörend zugleich. Sein Herz klopfte heftig. Er war wie elektrisiert und voller Lebensfreude. Als er die Augen schloss, streifte Margarets warme Wange die seine. Es war himmlisch.
    Ein weiterer Luftzug löschte die verbliebene Kerze. Der nächtliche Sternenhimmel beleuchtete den Raum durch ein Oberlicht. Ihre beiden Schatten verschmolzen.
    »Vielleicht solltest du mal wieder in die Hände klatschen«, meinte Driscoll.
    »Lieber nicht.«
    Sie tanzten weiter. Warm lag sie in seinen Armen.
    »Ich küsse dich jetzt«, hauchte sie. Und schon drückte sie ihre Lippen auf seine, in Erwartung seiner Zunge.
    Er wehrte sich nicht. Ihre feuchten Lippen, ihre Zunge luden ihn ein. Langsam machte er sich los, doch ihre Lippen fanden erneut die seinen. Diesmal wagte sie mehr.
    »Was hältst du davon, wenn wir uns ein bisschen hinsetzen?«, murmelte sie.
    »Es wird langsam wahnsinnig spät.«
    »Bitte. Setz dich doch zu mir.«
    Er war außerstande, sich zu wehren. Seit Jahren war er nicht mehr so leidenschaftlich geküsst worden, und seit Jahren hatte er nicht mehr die Magie einander liebkosender Zungen verspürt. Als sie ihm zum dritten Mal ihre Lippen darbot, gab er jeglichen Widerstand auf.
    Auf einmal gellte ein Klingeln durch die Dunkelheit. Driscoll erstarrte.

    »Was ist das?«, fragte sie flüsternd.
    »Mein Handy. Es ist in meinem Mantel.«
    »Geh nicht ran, John. Tu’s nicht.«
    Driscoll hastete in den Flur, zerrte sein Handy hervor und klappte es auf.
    »Ja, Lucinda … Haben Sie schon den Notarzt gerufen? … Ich komme sofort!«
    »Was ist denn los?«, fragte Margaret erschrocken.
    »Es geht um meine Frau. Sie hat aufgehört zu atmen.«

37. KAPITEL
    »Sie hat aufgehört zu atmen.« Driscoll holte tief Luft. »Doch der Rettungsdienst hat sie zurückgeholt. Die Sanitäter sind kurz vor mir eingetroffen. Ich hätte sie verlieren können, Elizabeth. Der Anruf kam, als ich gerade meine Kollegin geküsst habe. Stellen Sie sich das nur vor. Ich küsse Margaret und habe Gefühle, die ich mir schon gar nicht mehr zugetraut habe, und auf einmal fängt mein Handy an zu klingeln. Um drei Uhr morgens! Ich hätte zu Hause im Bett liegen sollen, statt mit einer anderen Frau herumzuturteln.«
    »Ist drei Uhr nach Ihrer Sperrstunde?«
    Doktor Elizabeth Fahey war Driscolls Psychotherapeutin. Sie hatte Driscoll über den fast völligen Zusammenbruch hinweggeholfen, den er durch den Verlust seiner Tochter und das Koma seiner Frau erlitten hatte.
    »Sperrstunde? Was für eine Sperrstunde? Ich bin doch kein Teenager, verdammt noch mal!«
    »Tja, aber Sie waren doch um drei Uhr morgens unterwegs und

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