Der Knochendieb
hatte. Vielleicht bringt uns das irgendwie weiter. Ich will restlos alles wissen. Klar?«
»Ja, Lieutenant. Ich rufe Sie an, sobald alles erledigt ist.«
»Das wäre gut. Danke für Ihre Hilfe.«
Driscolls Miene verdüsterte sich, als er sah, wie die Spurensicherung die Überreste des vierten weiblichen Opfers in einen Beutel packte. »Wir müssen diesen Kerl fassen, Margaret. Langsam verfolgt er mich in meine Träume.«
46. KAPITEL
Margaret stürmte in Driscolls Büro, um ihm von ihrer Entdeckung zu berichten. Sie hatte dem FBI den Rang abgelaufen und das Rätsel selbst gelöst.
»Ich habe die fehlenden Buchstaben«, erklärte sie. »ES, E, GE, HE, E und O. Die komplette Inschrift lautet: ›Lest We Forget Her Memory, 1041944‹. Unsere Unbekannte ist Jüdin. Ich habe sie mithilfe dieser Zahl über das Büro der Holocaust-Überlebenden ausfindig gemacht. Die Zahl ist ein Datum. Das Büro führt nicht nur ein Register
der Überlebenden, sondern besitzt auch umfassende Informationen über deren Nachfahren.«
»Die Obduktion hat aber ergeben, dass sie viel zu jung ist, um selbst eine Holocaust-Überlebende zu sein«, erwiderte Driscoll.
»Aber ihre Großmutter nicht. Florence Tischman ist am vierten Oktober 1944 in Auschwitz umgekommen.« Margaret reichte Driscoll Kopien der Dokumente, die sie im Büro der Holocaust-Überlebenden erhalten hatte.
»Und sie hatte ein Kind«, folgerte Driscoll.
»Maxine. Geboren 1942. Das Lager wurde von der Roten Armee befreit. Das Rote Kreuz hat sich um die Kinder gekümmert. Maxine kam 1946 in New York an, als Mündel der Jewish Rescue Mission. Später wurde sie von einer Familie in Brooklyn adoptiert, wo sie auch den Rest ihres Lebens verbracht hat. 1964 brachte Maxine Cooperman eine Tochter namens Sarah zur Welt. Das ist unser Opfer.«
»Warum die Tätowierung?«
»Ich weiß nicht … Ich tippe auf einen starken Familiensinn.«
»Die arme Frau. Ihre Mutter entkommt den Nazis, doch sie selbst fällt diesem geisteskranken Mörder zum Opfer.«
»Sarah hatte ein Kind. Einen kleinen Jungen.«
»Und wo ist der Vater?«
»Arbeitet als Banker. In Tel Aviv.«
»Und der Junge?«
»Sarahs Schwiegermutter Anita Benjamin hat eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Sie weiß bestimmt Näheres über den Jungen und hoffentlich auch darüber, wo sich Sarah zuletzt aufgehalten hat.«
»Fährst du zu ihr und befragst sie?«
»Steht als Nächstes auf meinem Plan.«
»Margaret, du hast die Feds auf ihrem eigenen Terrain geschlagen. Wie fühlst du dich?«
»Großartig!«
»Apropos Gefühle - kannst du mit dem momentanen Stand der Dinge leben? Zwischen uns, meine ich?«
»Das müsste ich eher dich fragen. Du bist doch derjenige, der den ganzen emotionalen Stress verkraften muss. Stress, den du dir nicht zu machen bräuchtest, wenn ich das hinzufügen darf. Eine Frage hätte ich allerdings.« Und wieder schlug ihr Herz schneller.
»Schieß los.«
»Hast du noch mal über das nachgedacht, was ich über Colettes Einstellung gesagt habe?«
»Du meinst in Bezug darauf, dass ich mich mit anderen Frauen treffe?«
»Mit mir !«
Margarets Replik traf Driscoll wie der Blitz. Er musste ihre Direktheit bewundern. »Was neulich abends zwischen uns geschehen ist, war wunderbar. Ich hatte schon ganz vergessen, dass ich mich so gut fühlen kann. Und die Wahrheit ist, dass ich viel für dich empfinde. Das will ich gar nicht abstreiten. Aber ich brauche mehr Zeit, um mir alles durch den Kopf gehen zu lassen.«
Margaret sah dem Lieutenant in die Augen. »John, ich bin dir für deine Offenheit dankbar. Ich wusste wirklich nicht, was ich denken sollte. Du hast in letzter Zeit so distanziert gewirkt. Ich dachte schon, du würdest bereuen, was zwischen uns war. Es freut mich zu hören, dass dem nicht so ist.« Ein Lächeln erschien auf Margarets Gesicht. Sie ergriff Driscolls Hand. »Nimm dir so viel Zeit, wie
du brauchst, um dir über alles klar zu werden. Ich laufe dir nicht davon.«
Nun lächelte auch Driscoll.
47. KAPITEL
»Mrs. Benjamin, ich habe Fragen, belastende Fragen, und es tut mir wirklich leid, dass ich sie Ihnen stellen muss«, erklärte Margaret, ohne den Blickkontakt abzubrechen. In den Augen der Älteren lag eine Traurigkeit, die über die momentanen Umstände hinausging.
Sie saßen auf den feinen Polstermöbeln in Mrs. Benjamins Wohnzimmer. Der Raum war ruhig, etwas übermöbliert und mit dicken Samtvorhängen ausstaffiert. Auf einem Tisch brannten Votivkerzen.
»Ich will helfen,
Weitere Kostenlose Bücher