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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas O'Callaghan
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dem Haus Garfield Place 411.
    Mrs. Benjamin wohnte, wie Margaret berichtet hatte, in einem unauffälligen älteren Sandsteinhaus in einer Straße mit schlichten Reihenhäusern. Er stieg die Stufen hinauf, die vor einer gotischen Eichentür endeten. Die Tür stand offen und ließ Bruchstücke der Gespräche von innen herausdringen.
    Driscoll trat in den Vorraum. Männer und Frauen in Trauerkleidung standen in kleinen Grüppchen herum und unterhielten sich leise. Auf Driscoll wirkte das Haus überheizt. Er zog seinen Burberry aus und hängte ihn an einen verschnörkelten viktorianischen Garderobenständer.
    »Sie müssen Lieutenant Driscoll sein«, begrüßte ihn jemand. »Ich bin Anita Benjamin.«
    »Darf ich Ihnen mein Mitgefühl aussprechen?«
    »Es ist tröstlich, Sie bei uns zu haben.« Mrs. Benjamin führte den Lieutenant in einen Raum voller Menschen.
    Driscoll musste an die irischen Totenwachen denken, denen er beigewohnt hatte. In diesem Haus jedoch gab es keinen Sarg, keine Zurschaustellung der Toten. Stattdessen war der ovale Esstisch übersät mit Platten voller Speisen.
    »Ich würde gern Ihren Sohn kennen lernen«, sagte Driscoll.
    »Das da drüben ist er, der Schuft, der dort mit der Brünetten steht.«
    Driscoll ging auf Isaac Benjamin zu. »Mr. Benjamin, ich bin Lieutenant Driscoll. Ich würde gern mit Ihnen sprechen.«
    Benjamins Züge verdüsterten sich, während er Driscoll
musterte. Die Brünette entschuldigte sich und verschwand. Benjamin ergriff das Wort. »Ich habe den Blick meiner Mutter gesehen, als sie gerade auf mich gezeigt hat. Aber ich bin kein so schlechter Mensch, wie sie es darstellt. Sagen wir einfach, dass wir den Verlust eines lieben Menschen unterschiedlich handhaben.«
    »Aha.«
    »Sollen wir ins Arbeitszimmer gehen? Dort können wir uns ungestörter unterhalten.«
    Driscoll folgte Benjamin in einen kleinen Raum mit einem schlichten Kiefernschreibtisch, auf dem ein Laptop und ein Stapel Rechnungen lagen.
    »Die Zeitungen schreiben, dass Sarah das Opfer eines Serienmörders geworden ist. Stimmt das?«
    »Das ist sehr gut möglich. Wie lange sind Sie schon geschieden?«
    »Fast drei Jahre.«
    »Und wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
    »Ich bin Banker. Mit internationalem Tätigkeitsbereich. Ich war in Tel Aviv, als sie ermordet wurde, falls Sie darauf hinauswollen.«
    »Und wann haben Sie sie nun das letzte Mal gesehen?«
    »Als die Scheidung rechtskräftig wurde. Vor drei Jahren. Und wenn Sie mir jetzt die üblichen Fragen stellen wollen, dann können Sie sich das gleich sparen.«
    »Was sind denn die üblichen Fragen?«
    »Ob ich jemanden kenne, der Sarah nicht mochte. Ob ich etwas von merkwürdigen Anrufen weiß. Oder von Ärger in der Arbeit. Und so weiter und so fort.«
    »Dann wussten Sie also nicht viel über Sarahs Leben seit der Scheidung?«

    »Ich wusste auch nicht viel über Sarahs Leben vor der Scheidung! Deshalb sind wir ja geschieden.«
    Schweigen senkte sich zwischen die beiden Männer. Benjamin brach es als Erster.
    »Wurde sie wirklich verstümmelt, wie es die Zeitungen berichten?«
    »Es war ein sehr brutaler Mord. Die Nachrichten stellen es ziemlich korrekt dar.«
    »Angeblich soll ihre Leiche unter der Brooklyn Bridge angespült worden sein.«
    »Das stimmt.«
    »Ironie des Schicksals.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Am vierten Juli 1989 sind wir zum ersten Mal zusammen ausgegangen. Von einem Segelboot aus, das unter der Brücke kreuzte, haben wir uns das Feuerwerk angesehen.«
    Driscoll durchzuckte ein Gedanke. Wusste der Mörder das? Hatte er Sarah Benjamin deshalb unter der Brücke ins Wasser geworfen? Steckte in der Wahl des Ablageorts eine Art pervertierter Bedeutung?

49. KAPITEL
    »Die Kollegen vom Einundsechzigsten Revier haben Sarah Benjamins Auto gefunden. Es stand an einer abgelaufenen Parkuhr Ecke Emmons Avenue und East Twentyfirst Street und hat einen Strafzettel nach dem anderen angesammelt«, berichtete Margaret und setzte sich neben Driscolls Schreibtisch. »Dort sind jede Menge Restaurants. Ich werde ihr Foto jeder Bedienung und jedem
Barkeeper unter die Nase halten. Vielleicht haben wir ja Glück. Und seit wir wissen, dass der letzte Anruf, den sie von ihrem Auto aus getätigt hat, in dieses Einkaufszentrum ging, habe ich die entsprechenden Polizeiberichte durchgesehen. An diesem Tag sind zwei Festnahmen wegen Ladendiebstahls vermerkt, weiter nichts.«
    »Das sind Sackgassen Nummer siebzehn und achtzehn. Aber wer zählt da schon noch

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