Der Knochendieb
ist ja mal ein Gesinnungswandel.« Margarets Grinsen ging in ein Lächeln über. »Du weißt wirklich, wie man eine Frau fesselt.« Dabei klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Vermassel es bloß nicht, schärfte sie sich ein. »John, du wirfst mich um. Bist du dir auch sicher? Ich meine, hast du es dir wirklich gut überlegt?«
»Ich bin bereit. Wenn du es auch bist?«
»Und wie. Machst du Witze? Ich habe weiß Gott wie lang von diesem Tag geträumt.«
»Aber wir müssen diskret sein. Unsere Kollegen können nämlich ganz schön albern sein. Du bist doch damit einverstanden, dass wir uns diskret verhalten, oder?«
»Na klar, was immer du willst. Ich bin einfach so glücklich, dass ich platzen könnte. Siehst du’s mir an?«
»Du siehst ungemein glücklich aus, das kann ich dir versichern.«
Driscoll fasste über den Schreibtisch und ergriff Margarets Hand. Ein verlegenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Wir kriegen das hin. Das weiß ich.«
»Das Wort gefällt mir.«
»Welches?«
»Wir.«
72. KAPITEL
Driscoll war froh, dass es Seamus Tiernan gelungen war, Moira in ihr Zimmer zu Hause zu verlegen. Für ihn war dies ein Zeichen der Hoffnung. Von einer diplomierten Krankenschwester versorgt, lag das junge Mädchen nun ohne ihren Gipskokon da, umringt von Plüscheisbären, Beanie Babies und einem Britney-Spears-Poster, auf dem mitten im Gesicht des Pop-Stars fünf Darts-Pfeile steckten. Reglos lag Moira in ihrem Bett, den schwer verletzten Körper an zahlreiche Geräte angeschlossen, darunter ein Puls-Oximeter, ein Absauggerät und eine Beatmungsmaschine. Ihre Vitalfunktionen liefen rund um die Uhr als Zickzacklinien über bernsteinfarbene Bildschirme und bezeugten die Lebendigkeit ihrer Organe. Trotzdem hatte Driscoll Angst, da ihre Gehirnströme nach wie vor nur eine flache Linie abgaben.
Der Lieutenant, der das junge Mädchen regelmäßig besuchte, stand an Moiras Bett und lauschte dem Rauschen des Beatmungsgeräts und dem Surren einer Dialysemaschine. Die Geräusche waren ihm nur allzu vertraut, eine Erkenntnis, die ihn zutiefst betrübte. Er musterte den Gerätepark. Sämtliche Monitore arbeiteten einwandfrei und hielten seine Starzeugin am Leben, wenngleich sie stumm blieb. Er musste gegen den Impuls ankämpfen, Moira zu schütteln, sie mit einer geistreichen Spitze zu provozieren, sie zu reizen oder zu veralbern, nur um irgendeine Reaktion hervorzurufen und dadurch ihren jugendlichen Furor wieder zu entzünden, der ihm so gefallen hatte.
Er sah sich im Raum um. Die Regale waren voll von Büchern und Souvenirs, Deko-Schachteln und einer
stattlichen Teddybärensammlung. Auch Nicole war eine Sammlerin gewesen. Sie hatte ihr Herz an Minipuppenhäuser aus aller Welt verloren und mit geradezu anthropologischem Interesse mit diesen Puppenhäusern gespielt, um zu ergründen, welche Architektur welcher Landschaft entsprach und weshalb beispielsweise in heißen, schwülen Klimazonen Terrakottadächer bevorzugt wurden. Erstaunt hatte sie festgestellt, dass die Tuareg in der Sahara in Lehmhütten wohnten und ihre Wohnräume durch Feuchtigkeit kühl hielten.
Auf einer Reise nach Dublin hatte Driscoll ein Geschäft entdeckt, in dessen Schaufenster die Nachbildung eines irischen Landstädtchens stand: einundzwanzig Häuser, eine Kirche, eine Feuerwache, ein Kino und sechs Pubs. Er hatte das ganze Dorf gekauft und es Nicole mitgebracht.
»Du liebe Zeit!«, rief sie bei seiner Rückkehr. »Was hast du denn in der Schachtel? Einen lebensgroßen Teddybär?«
»Nein. Etwas viel Besseres.«
Seiner Tochter war die Luft weggeblieben, als sie das Geschenk ausgepackt und begriffen hatte, dass sie nun eine eigene Stadt besaß. Sofort hatte sie sämtliche Häuschen mit der Kirche im Zentrum auf ihrem Wollteppich aufgestellt, sich triumphierend wieder erhoben und ihrem Vater erklärt, dass er soeben zum Bürgermeister gewählt worden sei.
Driscoll hatte sich tief verbeugt und die Ehre angenommen. »Meine erste Amtshandlung als Bürgermeister ist, dass ich einundzwanzig Uhr als Sperrstunde über die ganze Stadt verhänge. Und das gilt auch für dich, kleines Mädchen.«
Die Erinnerung machte ihn traurig. Er schloss die Augen und sah Nicoles Gesicht vor sich. Ihre rosaroten Wangen im Winter, die Art, wie ihr kleines rundes Kinn hervorstand, und wie ihm das Herz aufging, wenn sie ihn mit ihrem schiefen kleinen Lächeln ansah und leise lachte. Er vermisste seine Tochter. Er vermisste seine Frau. Und nun vermisste er auch
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