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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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einen Blick riskieren. Sie hatte einen Helm auf. Bis auf Stahlmantel- und Teflongeschosse hielt der alles auf. Der Unbekannte hatte eine .32er. Eine Damenwaffe.
    In Ordnung. Denk nach. Wohin schaust du zuerst?
    Die Dienstanweisungen für Streifenpolizisten nutzten in diesem Fall nichts, und auch Nick hatte ihr keinen guten Ratschlag zu bieten. Wirf eine Münze.
    Links.
    Sie reckte kurz den Kopf vor, warf einen Blick nach links. Zog sich wieder in den Tunnel zurück.
    Sie hatte nichts gesehen. Nur eine nackte Wand, Schatten.
    Wenn er auf der anderen Seite war, hatte er sie entdeckt und konnte in aller Ruhe Ziel nehmen.
    Okay, scheiß drauf. Mach einfach. Schnell.
    Wenn man in Schwung ist...
    Sachs hechtete nach vorn.
    ... kriegt einen keiner.
    Sie schlug hart auf, rollte sich ab. Fuhr herum.
    Sie sah eine Gestalt, die sich rechts von ihr im dunklen Winkel unter dem Fenster versteckt hatte. Sie legte die Waffe an und drückte ab. Dann erstarrte sie.
    Amelia Sachs keuchte.
    O mein Gott...
    Wie gebannt starrte sie auf die Leiche der Frau, die mit dem Oberkörper an der Wand lehnte.
    Sie war schlank, hatte dunkelbraune Haare, ein hageres Gesicht, kleine Brüste, knochige Arme. Zahllose Fliegen wimmelten auf ihr herum - daher das Summen, das Sachs gehört hatte.
    Der Unterleib jedoch war ... nicht mehr vorhanden. Nur noch blanke Knochen, das Becken, das Steißbein, die Oberschenkel, bis zu den Füßen. Sämtliches Fleisch war in dem widerwärtigen Bad abgelöst worden, neben dem sie ruhte. Irgendeine Art Lauge oder Säure. Die Dämpfe brannten in Sachs' Augen, und vor Entsetzen - und auch Wut - drehte sich ihr schier der Magen um.
    Ach, du armes Ding.
    Vergebens versuchte Sachs die Fliegen abzuwehren, die über sie herfielen.
    Die Frau hatte die Hände geöffnet, Handteller nach oben, so als meditiere sie. Ihre Augen waren geschlossen. Neben ihr lag ein lila Joggingoutfit.
    Sie war nicht das einzige Opfer.
    Neben einem ähnlichen Behältnis - offenbar älteren Datums, ohne die Säure - lag eine weitere Leiche, diesmal völlig skelettiert. Ein Unterarm samt Hand fehlte. Und dahinter war noch eine - diesmal kein vollständiges Skelett, sondern zerteilt, die Knochen von allen Fleischresten befreit, blank poliert und sorgfältig am Boden ausgebreitet.
    Und dann hörte sie hinter sich etwas.
    Ein Atemzug. Leise, aber unverkennbar. Jemand holte tief Luft.
    Sie fuhr herum, wütend auf sich, weil sie nicht aufgepaßt hatte.
    Doch vor ihr lag nur der leere Kellerraum. Sie leuchtete den Steinfußboden ab, auf dem man mit bloßem Auge keine Fußspuren erkennen konnte.
    Wieder die Atemgeräusche.
    Wo steckte er? Wo?
    Sachs ging tiefer in die Hocke, ließ den Lichtstrahl über die Wände wandern, auf und ab ... Nichts.
    Wo, zum Teufel, steckte er? In einem anderen Tunnel? Einem Ausgang zur Straße?
    Sie suchte wieder den Boden ab, meinte eine undeutliche Spur zu sehen, die zu einem dunklen Winkel führte. Sie folgte ihr.
    Hielt inne. Horchte.
    Atemgeräusche?
    Ja. Nein.
    Sie fuhr herum und starrte wieder auf die tote Frau.
    Komm schon!
    Blick voraus.
    Langsam weitergehen.
    Nichts. Wieso höre ich ihn, kann ihn aber nicht sehen?
    Vor ihr war massives Mauerwerk. Ohne Türen und Fenster. Sie zog sich ein Stück zurück.
    Irgendwie fielen ihr Lincoln Rhymes Worte wieder ein. Ein Tatort ist dreidimensional.
    Sachs richtete die Taschenlampe nach oben. Sah die schimmernden Zähne eines großen Dobermanns. Er hockte allenfalls einen halben Meter von ihr entfernt auf einem Mauersims. Lauerte ihr auf wie eine Wildkatze.
    Einen Moment lang waren sie beide wie erstarrt.
    Sachs zog instinktiv den Kopf ein, doch ehe sie die Waffe hochreißen konnte, stürzte sich das Tier auf sie. Seine Zähne glitten am Helm ab. Dann packte er den Riemen, schüttelte wie wild den Kopf hin und her, als sie rücklings neben die mit Säure gefüllte Grube fielen, und versuchte ihr das Genick zu brechen. Die Pistole flog ihr aus der Hand.
    Der Hund verbiß sich in den Helmriemen, schlug mit den Hinterläufen um sich, grub die Krallen in die Weste, in ihren Bauch, die Schenkel. Sie hämmerte mit den Fäusten auf ihn ein, doch es war, als schlüge man auf ein Stück Holz ein - es zeigte keinerlei Wirkung.
    Dann ließ er den Helmriemen los, zog sich zurück und schnappte nach ihrem Gesicht. Sie riß den linken Arm hoch, spürte, wie er die Zähne in ihr Fleisch schlug, zückte das Taschenmesser und stieß ihm die Klinge in die Rippen. Er heulte auf, sprang zurück und

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