Der Knochenjäger
innigen Kuß gegeben, als ihre ausgeworfenen Patronenhülsen scheppernd über den Boden tanzten.
»Ich nehme lieber meine Dienstwaffe«, erklärte sie dem Mann vom Einsatzkommando.
Die Hardy Boys kamen angerannt, duckten sich, als hätten sie Angst vor Scharfschützen.
»Folgendes haben wir herausgefunden Weit und breit niemand. Der Straßenzug ist -«
»- völlig verlassen.«
»Sämtliche Fenster des Hauses sind vergittert. Ein Hintereingang - «
» - führt auf die Gasse. Die Tür ist offen.«
»Offen?« fragte Haumann und warf ein paar Männern aus seinem Einsatzkommando einen kurzen Blick zu.
»Nicht nur unverschlossen, sondern offen«, bestätigte Saul.
»Fallen?«
»Wir haben keine gesehen. Was nicht heißen muß -«
»- daß keine da sind.«
»Irgendwelche Fahrzeuge in der Gasse?« fragte Sellitto.
»Nee.«
»Zwei Vordereingänge. Einmal die Haustür -«
»- die anscheinend dicht ist, mit Farbe zugekleistert. Zweitens das Tor zur Remise. Doppelflügel, breit genug für zwei Fahrzeuge. Kette und Vorhängeschloß.«
»Aber die liegen am Boden.«
Haumann nickte. »Möglicherweise ist er also drin.«
»Möglicherweise«, sagte Saul. Dann fügte er hinzu: »Und erzähl ihm, was wir meinen, gehört zu haben.«
»Sehr leise. Könnte sein, daß da jemand geweint hat.«
»Könnten auch Schreie gewesen sein.«
»Das kleine Mädchen?« fragte Sachs.
»Möglicherweise. Aber dann hat es plötzlich aufgehört. Wie ist Rhyme auf dieses Haus gekommen?«
»Weiß ich denn, wie sein Gehirn funktioniert?« versetzte Sellitto.
Haumann rief einen seiner Mannschaftsführer zu sich und erteilte etliche Befehle. Im nächsten Moment stießen zwei Mannschaftswagen auf die Kreuzung und sperrten die Straße ab.
»Team eins, zur Haustür. Sprengt sie aus den Angeln. Die ist aus Holz und ziemlich alt, also zieht das Visier runter, okay ? Team zwei, in die Gasse. Auf drei schlagt ihr los. Kapiert? Schaltet ihn aus, aber achtet auf freies Schußfeld, bevor ihr abdrückt. Vermutlich ist das Mädchen da drin. Officer Sachs, sind Sie sicher, daß Sie da mitmachen wollen?«
Ein entschlossenes Nicken.
»Okay, Jungs und Mädels. Holt ihn euch.«
ZWEIUNDDREISSIG
Sachs und die fünf anderen Polizisten vom Team zwei rannten in die abgeriegelte Gasse. Unkraut wucherte zwischen dem Kopfsteinpflaster und dem rissigen Mauerwerk- es war so trostlos, daß Sachs unwillkürlich an das Grab neben den Bahngleisen denken mußte.
Er hofft, daß das Opfer tot ist. Um seinetwillen...
Haumann hatte seine Männer auch auf den Dächern postiert. Sie sah die Mündungen ihrer Präzisionsgewehre, die wie Antennen aufragten.
Das Team ging an der Hintertür in Position. Sachs wurde von ihren Kollegen argwöhnisch beäugt, als sie die Gummiringe über ihre Schuhe streifte. Sie hörte, wie einer seinem Nebenmann etwas von wegen Aberglauben zuflüsterte.
Dann knackte es in ihren Kopfhörern.
»Führer Team eins, an der Haustür. Ladung angebracht und scharf. Wir sind bereit. Kommen.«
»Roger, Führer Team eins. Team zwo?«
» Team zwo in Position. Kommen.«
»Roger, Führer Team zwo. Beide Teams dringen zügig ein. Auf drei.«
Ein letztes Mal die Waffe überprüfen.
»Eins...«
Sie berührte mit der Zunge einen Schweißtropfen, der von ihrer geschwollenen Lippe hing.
»Zwei...«
Okay, Rhyme, auf geht's...
»Drei!«
Die Explosion klang eher gedämpft, ein kurzer, trockener Knall, und dann schlugen die Teams los. Schnell. Sie rannte hinter den Männern her, die ins Haus eindrangen und sofort ausschwärmten, sah, wie sich der Strahl der auf den Gewehrmündungen befestigten Lampen mit dem Sonnenschein kreuzte, der durch die Fenster einfiel. Und dann war Sachs allein, während sich das übrige Team verteilte, die Schränke und Kammern überprüfte und die dunklen Winkel hinter den bizarren Statuen absuchte, die überall herumstanden.
Sie ging um eine Ecke. Ein bleiches Gesicht tauchte vor ihr auf. Ein Messer ...
Einen Moment lang stockte ihr Herz. Dann war sie in Schußposition, hatte die Waffe angelegt. Mit aller Kraft drückte sie ab, ehe ihr klar wurde, daß sie es mit einem Wandgemälde zu tun hatte. Einem unheimlich wirkenden Schlachter mit einem Mondgesicht, der in der einen Hand ein Messer hatte und in der anderen einen Fleischbrocken.
Mann...
Der hatte sich ja ein tolles Haus ausgesucht.
Die Männer vom Einsatzkommando stürmten die Treppe hoch und suchten nach dem Erdgeschoß auch den ersten Stock ab.
Doch Sachs
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