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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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anderen; der Kopfhörer hing lose um ihren Hals. Sie ging geradewegs auf den Kombi zu, ohne die riesige Menschenmenge zu beachten, weder die Kollegen noch die Schaulustigen.
    Als sie an Sellitto vorbeikam, reichte sie ihm, ohne stehenzubleiben, die Säge, schmiß sie ihm förmlich zu. »Sagen Sie ihm, wenn es unbedingt sein muß, soll er herkommen und es selber machen.«
     
    2
    LOCARDS PRINZIP
    Im echten Leben bekommt man bei einem Mord
    nur einmal die Chance, den Tatort
    in Augenschein zu nehmen.
    Vernon J. Geberth Lieutenant
    Commander (i. R.) New York
    Police Department
     
     
    Samstag, 16.00 Uhr, bis Samstag, 22.15 Uhr
    NEUN
    »Ich bin da in eine dumme Situation geraten, Sir.«
    Der Mann auf der anderen Seite des Schreibtischs sah so aus, wie man sich beim Fernsehen den stellvertretenden Polizeichef einer Großstadt vorstellt. Was er zufällig auch war. Weiße Haare, moderate Hängebacken, lange Nase, Brille mit Goldrand, hervorragende Haltung.
    »Nun, worum geht es denn, Officer?«
    Deputy Commissioner Randolph C. Eckert warf Sachs einen Blick zu, den sie auf Anhieb zu deuten wußte - Gleichbehandlung hieß für ihn, daß er zu Polizistinnen ebenso streng war wie zu den männlichen Kollegen.
    »Ich möchte eine Beschwerde vorbringen, Sir«, sagte sie steif. »Haben Sie von dieser Taxi-Entführung gehört?«
    Er nickte. »Ah, hat das die Stadt in Flickflack gebracht.«
    Ihrer Meinung nach handelte es sich dabei um eine Figur beim Bodenturnen, aber sie würde sich niemals erlauben, den stellvertretenden Polizeichef zu berichtigen.
    »Diese verdammte UN-Konferenz«, fuhr er fort, »und alle Welt schaut auf uns. Es ist einfach ungerecht. Kein Mensch redet von der Kriminalität in Washington. Oder in Detroit. Nun ja, von Detroit schon. Aber nehmen wir mal Chicago. Kein Wort. Nein, aber auf New York weisen sie alle mit dem Finger. Richmond, Virginia, hatte letztes Jahr mehr Morde pro Kopf als wir, prozentual gesehen. Ich habe da mal nachgeschlagen. Und ich würde jederzeit lieber unbewaffnet mit dem Fallschirm mitten in Harlem abspringen, als mit hochgekurbelten Fenstern durch den Südosten von Washington zu fahren.«
    »Ja, Sir.«
    »Soweit ich weiß, hat man die Frau tot aufgefunden. Kam in sämtlichen Nachrichten. Diese Reporter.«
    »In Downtown. Grade eben.«
    »So ein Jammer.«
    »Ja, Sir.«
    »Die haben sie einfach umgebracht? Einfach so? Ohne eine Lösegeldforderung oder irgendwas?«
    »Ich habe nichts von einem Lösegeld gehört.«
    »Wie lautet die Beschwerde?«
    »Ich war heute morgen als erste an einem Tatort. Bei einem Mordfall, der mit diesem zusammenhängt.«
    »Sie sind im Streifendienst?« fragte Eckert.
    »Ich war im Streifendienst. Ich sollte heute mittag in die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit versetzt werden. Zu einem Lehrgang.« Sie hob die mit fleischfarbenem Heftpflaster verklebten Hände und ließ sie wieder in den Schoß fallen. »Aber man hat mich dienstverpflichtet.«
    »Wer?«
    »Detective Lon Sellitto, Sir. Und Captain Haumann. Sowie Lincoln Rhyme.«
    »Rhyme?«
    »Ja, Sir.«
    »Doch nicht der Kerl, der vor ein paar Jahren für die IRD zuständig war?«
    »Ja, Sir. Genau der.«
    »Ich dachte, der wäre tot.«
    Wer so von sich eingenommen ist, stirbt nicht so schnell.
    »Er ist sehr lebendig, Sir.«
    Der Deputy Commissioner schaute aus dem Fenster. »Er ist nicht mehr im Dienst. Was hat er mit dieser Sache zu tun?« »Beratende Funktion, nehme ich an. Es ist Lon Sellittos Fall. Captain Polling trägt die Verantwortung. Ich warte schon seit acht Monaten auf diese Versetzung. Aber man hat mich Tatortarbeit machen lassen. Ich habe noch nie Tatortarbeit gemacht. Es ist unsinnig, und ich habe, ehrlich gesagt, keine Lust, mir eine Aufgabe zuweisen zu lassen, für die ich nicht ausgebildet bin.«
    »Tatortarbeit?«
    »Rhyme hat mir befohlen, den ganzen Tatort abzusuchen. Alleine.«
    Eckert verstand das nicht. Er wollte es einfach nicht wahrhaben. »Wieso kann ein Zivilist einer Polizistin in Uniform etwas befehlen?«
    »Darauf will ich ja hinaus, Sir.« Sie setzte zum entscheidenden Schlag an. »Ich meine, bis zu einem gewissen Punkt helfe ich gern aus. Aber ich bin nicht bereit, ein Opfer zu verstümmeln ...«
    »Was?«
    Sie zwinkerte kurz, als wäre sie überrascht, daß er noch nichts davon gehört hatte. Sie berichtete ihm von den Handschellen.
    »Herr im Himmel, was, zum Teufel, denken die sich dabei? Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise. Wissen die nicht, daß das ganze Land auf

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