Der Knochenjäger
ruchloser Taten verdächtigten. Es handelte sich um einen gewissen James Schneider.
Nämlicher Herr war einstmals einflußreiches Mitglied mehrerer wohltätiger Organisationen der Stadt Manhattan gewesen, allen voran der Liga für Schwindsüchtige und der Wohlfahrtsgesellschaft für Ruheständler. Das Auge des Gesetzes fiel auf ihn, als mehrere ältere Schutzbefohlene besagter Verbände verschwanden, nachdem Schneider ihnen einen Besuch abgestattet hatte. Er wurde niemals wegen einer Straftat belangt, doch kurz nach den Ermittlungen zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück.
Nach dem ruchlosen Mord an Hanna Goldschmidt durchsuchte man stillschweigend die zweifelhaften Quartiere der Stadt, fand jedoch keinerlei Hinweis auf Schneiders Verbleib. Die Konstabler brachten in allen südlichen Stadtbezirken sowie in den an den Flüssen gelegenen Vierteln Anschläge mit einer Beschreibung des Schurken an, doch sie konnten ihn nicht dingfest machen - wahrlich eine Tragödie, wenn man bedenkt, wieviel Blut aufgrund seines schändlichen Treibens in Bälde in der Stadt vergossen werden sollte.
Die Straßen waren leer. Der Knochensammler bog in eine Gasse ein. Er öffnete die Tür zu einem Lagerhaus und fuhr über eine hölzerne Rampe hinab in einen langen, tunnelartigen Gang.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß sich niemand im Gebäude aufhielt, ging er zum Wagen zurück. Er öffnete den Kofferraum und zog Hanna heraus. Sie war fleischig, fett, fühlte sich an wie ein schlaffer Strohsack. Er wurde wieder wütend und schleppte sie rüde durch einen weiteren breiten Tunnel. Über ihnen rauschte der Verkehr auf dem West Side Highway dahin. Er horchte auf ihren pfeifenden Atem und wollte gerade die Hand ausstrecken und den Knebel lösen, als er spürte, wie sie erschauderte und plötzlich schlaff wurde. Er keuchte vor Anstrengung, als er seine schwere Last auf den Tunnelboden bettete und das Klebeband von ihrem Mund zog. Sie atmete schwach. War sie nur ohnmächtig geworden? Er horchte an ihrer Brust. Das Herz schlug laut und deutlich.
Er durchschnitt die Wäscheleine, mit der er ihre Knöchel gefesselt hatte, beugte sich über sie und flüsterte: »Hanna, komm mit mir, Hanna Goldschmidt...«
»Nein«, murmelte sie und verfiel dann wieder in Schweigen.
Er beugte sich näher zu ihr, gab ihr einen leichten Klaps auf die Wange. »Hanna, du mußt mitkommen.«
Und sie schrie: »Ich heiße nicht Hanna.« Dann trat sie ihm heftig gegen die Kinnlade.
Grellgelbes Licht schoß ihm durch den Kopf, und er hüpfte zwei, drei Schritte zur Seite, bemüht, das Gleichgewicht zu halten. Hanna sprang auf und rannte blindlings durch einen dunklen Korridor davon. Doch er war im Nu hinter ihr her. Ehe sie zehn Meter weit gekommen war, bekam er sie zu fassen. Sie stürzte zu Boden, und er kam mit ihr zu Fall. Er grunzte, als ihm die Luft aus der Lunge entwich.
Einen Moment lang lag er auf der Seite, von rasenden Schmerzen verzehrt, rang nach Atem und hielt das strampelnde Mädchen am T-Shirt fest. Sie lag auf dem Rücken, und ihre Hände waren immer noch gefesselt, daher benutzte sie die einzige Waffe, die ihr zur Verfügung stand - sie holte mit dem Fuß aus und trat mit aller Kraft auf seine Hand. Stechender Schmerz schoß ihm durch den Arm, und sein Handschuh flog davon. Wieder hob sie ihr kräftiges Bein, und nur weil sie schlecht zielte, entging er ihrem Absatz, der so heftig auf den Boden knallte, daß seine Knochen gebrochen wären, wenn sie ihn getroffen hätte.
»So nicht!« knurrte er wütend, packte sie mit der bloßen Hand an der Kehle und drückte zu, bis sie sich nur mehr wand und winselte und dann auch damit aufhörte. Sie zuckte ein paarmal und erschlaffte dann.
Als er an ihrer Brust horchte, schlug das Herz ganz schwach. Diesmal war es keine Finte. Er hob seinen Handschuh auf, zog ihn an und schleppte sie durch den Tunnel zu dem Pfosten zurück. Fesselte ihre Füße und zog ihr einen neuen Streifen Klebeband über den Mund. Als sie zu sich kam, wanderte seine Hand über ihren Körper. Zuerst keuchte sie und zuckte zurück, als er sie hinter dem Ohr betastete. Am Ellbogen, am Kinn. Es gab nicht viele Stellen, die er berühren wollte. Sie war so füllig ... es widerte ihn an.
Doch unter der Haut... Mit festem Griff packte er ihr Bein. Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als er in seiner Tasche herumfummelte und das Messer zückte. Ohne auch nur einmal zu zögern, schnitt er durch das Fleisch, bis auf den
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