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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Es hatte eine Glocke um den Hals, und dahinter kamen etliche andere.
    »Lincoln«, bedrängte ihn Thom. »Du schwitzt ja. Ist alles in Ordnung?«
    »Schhhh«, befahl der Kriminalist.
    Er spürte, wie ihm ein Tropfen übers Gesicht rann. Geistiger Höhenflug oder Kreislaufschwäche - die Symptome waren sich ziemlich ähnlich. Denk nach, denk nach ...
    Knochen. Holzpfosten und Mist...
    »Genau«, flüsterte er. Ein Locktier, das die Herde zur Schlachtbank führt.
    »Viehhöfe«, rief Rhyme laut aus. »Sie wird in einem Viehhof festgehalten.«
     
     
    DREIZEHN
    »In Manhattan gibt es keine Viehhöfe.«
    »Früher, Lon«, erinnerte ihn Rhyme. »Der steht auf alte Sachen. Das törnt ihn an. Wir müssen an die alten Viehhöfe denken. Je älter, desto besser.«
    Bei den Recherchen für sein Buch hatte Rhyme sich unter anderem mit einem Mord beschäftigt, den man dem Edelganoven Owney Madden zur Last gelegt hatte. Angeblich sollte er vor seinem Haus in Hell's Kitchen einen rivalisierenden Alkoholschmuggler niedergeschossen haben. Madden wurde freigesprochen - jedenfalls von diesem Mord. Er stellte sich zum Kreuzverhör und hielt dem Gericht mit klangvollem britischem Akzent einen Vortrag über Verrat: »Diese ganze Sache haben sich einige meiner Konkurrenten zusammengereimt, die nichts als Lügen über mich verbreiten. Euer Ehren, wissen Sie, woran mich die erinnern? In meiner Gegend, in Hell's Kitchen, wurden früher die Lämmerherden von den Viehhöfen zu den Schlachthöfen an der Zweiundvierzigsten Straße geführt. Und wissen Sie, wer sie geführt hat? Kein Hund, kein Mensch. Sondern ihresgleichen. Ein Locktier, ein Judaslamm, das eine Glocke um den Hals hängen hatte, führte die Herde die Rampe hinauf. Aber dann blieb es stehen, und alle anderen gingen hinein. Ich bin so unschuldig wie ein Lamm, und die Zeugen der Anklage, das sind die Judasse.«
    »Banks, rufen Sie in der Bibliothek an«, fuhr Rhyme fort. »Dort gibt es bestimmt einen Historiker.«
    Der junge Kriminalpolizist klappte sein Handy auf und rief an. Er senkte die Stimme um ein, zwei Töne, als er sprach. Er erklärte, was sie benötigten, hörte auf zu reden und blickte auf den Stadtplan.
    »Nun?« fragte Rhyme.
    »Sie suchen jemanden. Sie haben -« Er neigte den Kopf, als sich jemand anderer meldete, und wiederholte sein Anliegen. Er nickte. »Ich habe zwei Standorte ... nein, drei«, berichtete er.
    »Wer ist dran?« rief Rhyme. »Mit wem reden Sie?«
    »Der Kurator des Stadtarchivs. Er sagt, in Manhattan habe es drei Bereiche gegeben, in denen große Viehhöfe waren. Einer an der West Side, in Höhe der Sechzigsten Straße ... Einer in Harlem, in den dreißiger oder vierziger Jahren. Und während der Revolution gab's einen an der Lower East Side.«
    »Wir brauchen die genauen Adressen, Banks! Die Straßen.«
    Er horchte wieder.
    »Er weiß es nicht genau.«
    »Warum schaut er nicht nach? Sagen Sie ihm, er soll nachschlagen.«
    »Er hat Sie gehört, Sir«, erwiderte Banks. »Er fragt, wo? Wo soll er nachschlagen? Damals gab's noch kein Branchenfernsprechbuch. Er orientiert sich anhand der alten -«
    »Anhand der alten demographischen Karten, auf denen die Gewerbegebiete, nicht aber die Straßennamen eingezeichnet sind«, maulte Rhyme. »Offensichtlich. Sagen Sie ihm, er soll raten.«
    »Das macht er ja schon. Er rät.«
    »Er soll schneller raten«, rief Rhyme.
    Banks hörte zu, nickte.
    »Was, was, was, was?«
    »An der Sechzigsten Straße, Ecke Tenth Avenue«, sagte der junge Polizist. Kurz darauf: »Lexington, beim Harlem River... Und dann ... dort, wo die Delancey-Farm war. Ist das in der Nähe der Delancey Street?«
    »Wo denn sonst? Von Little Italy aus den ganzen East River hoch. Ein riesiges Gebiet. Kilometerlang. Kann er es nicht näher eingrenzen?«
    »Um die Catherine Street. Lafayette ... Walker. Er ist sich nicht sicher.«
    »In der Nähe der Gerichtsgebäude«, sagte Sellitto. »Laß Haumanns Männer ausrücken«, befahl er Banks. »Sie sollen sich aufteilen. Sich alle drei Gegenden vorknöpfen.«
    Der junge Detective erledigte den Anruf, dann blickte er auf. »Was nun?«
    »Wir warten«, sagte Rhyme.
    »Ich hasse diese Scheißwarterei«, brummte Sellitto.
    »Darf ich mal Ihr Telefon benutzen?« fragte Sachs Rhyme.
    Rhyme nickte zu dem Apparat auf dem Nachttisch.
    Sie zögerte. »Ist da draußen auch eins?« Sie deutete in den Flur.
    Rhyme nickte.
    Erhobenen Hauptes verließ sie das Schlafzimmer. Er konnte ihr Gesicht im Flurspiegel sehen.

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