Der Knochenjäger
haste Geheimcodes, haste was Schriftliches? Haste irgendeinen Scheiß?«
»Mann. Ha.«
»Sag ruhig ha, aber auslachen tust du mich nicht«, sagte Fred Dellray - ursprünglich D'Ellret, aber das war einige Generationen her. Er war einen Meter dreiundneunzig groß, lächelte trotz seiner Kodderschnauze selten und war der Star unter den Special Agents von Manhattans FBI-Büro.
»Nein, Mann. Ich lach' doch gar nicht.«
»Also, was haste?« Dellray drückte auf der Zigarette herum, die hinter seinem linken Ohr klemmte.
»So was dauert, Mann.« Der Stinker, ein kleiner Kerl, kratzte sich den fettigen Kopf.
»Aber du hast keine Zeit. Zeit ist kostbar, Zeit verfliegt, und Zeit ist genau das, was du nicht hast.«
Dellray griff mit seiner mächtigen Pranke unter dem Tisch hindurch, auf dem zwei Tassen Kaffee standen, und kniff den Stinker in den Schenkel, bis er winselte.
Vor sechs Monaten war der dürre kleine Kerl erwischt worden, als er versucht hatte, einer Horde rechtsradikaler Irrer Schnellfeuergewehre vom Typ M-16 zu verkaufen. Wie es der Zufall wollte - soweit man von Zufall sprechen konnte -, handelte es sich um Undercover-Agenten der Bundesbehörde für Alkohol, Tabak und Schußwaffen.
Selbstverständlich hatten es die Agenten nicht auf den Stinker persönlich abgesehen, diese schmierige Gestalt mit den wilden Augen. Sie wollten die Hintermänner, die Leute, die die Waffen lieferten. Die Bundesbehörde gab sich eine Zeitlang alle Mühe mit ihm, ohne daß sich ein großer Durchbruch abzeichnete, worauf man ihn an Dellray weiterreichte, den besten Spitzelführer vor Ort - er sollte nun feststellen, ob er eventuell von Nutzen sein könnte. Bislang allerdings hatte sich nur bestätigt, daß er eine unausstehliche kleine Ratte war und offensichtlich keine Ahnung hatte, keinerlei Geheimcodes kannte, noch irgendwelchen Scheiß für die Akten wußte.
»Wir lassen die Anklage - egal, wegen was - nur unter einer Bedingung fallen, und die lautet, daß du uns irgendwas Gutes, was Handfestes lieferst. Sind wir uns da einig?«
»Aber wenn ich doch sag', daß ich momentan nix für euch hab'. Bloß im Moment.«
»Stimmt nicht, stimmt nicht. Du hast irgendwas. Ich seh's dir am Gesicht an. Du weißt irgendwas, Mann.«
Draußen hielt ein Bus mit zischenden Hydraulikbremsen. Ein Schwung Pakistani stieg aus.
»Mann, diese beschissene UN-Konferenz«, moserte der Stinker.
»Was, zum Teufel, suchen die hier? Die Stadt ist sowieso schon viel zu voll. Nix als Ausländer.«
»>Beschissene Konferenz<. Du kleine Ratte, du mickriger Scheißer«, fuhr Dellray ihn an. »Was haste denn gegen den Weltfrieden?«
»Gar nix.«
»Jetzt beicht mir mal, was du weißt.«
»Ich weiß aber nix.«
»Mit wem hastes hier zu tun?« Dellray grinste teuflisch. »Ich bin das Chamäleon. Ich kann freundlich sein und lächeln, aber ich kann auch die Stirn runzeln und zukneifen.«
»Nein, Mann, nein«, jaulte der Stinker. »Scheiße, das tut weh. Laß das.«
Der Barkeeper schaute zu ihnen her, aber nach einem kurzen Blick von Dellray wienerte er die bereits spiegelblanken Gläser.
»Na schön, vielleicht weiß ich doch was. Aber ich brauch' Hilfe. Ich brauch' -«
»Die nächste Kneifkur?«
»Leck mich, Mann. Leck mich doch.«
»Ist ja ein mächtig scharfer Dialog«, versetzte Dellray. »Du klingst wie einer in einem miesen Film, weißt du, wenn die Guten und die Schlechten am Schluß aufeinanderstoßen. Stallone gegen wen anders. Und denen fällt nichts anderes ein als >Leck mich.< - >Nein, leck du mich doch .< - >Nein, du leckst mich.< Und jetzt erzähl mir was Brauchbares. Sind wir uns einig?«
Und er starrte den Stinker einfach an, bis der klein beigab.
»Okay, es geht um folgendes. Ich vertrau dir, Mann. Ich -«
»Ja, ja, ja. Was weißte?«
»Ich hab' mit Jackie geredet - kennste Jackie?«
»Kenn' ich.«
»Und der hat mir was gesteckt.«
»Was hat er dir gesteckt?«
»Er hat mir erzählt, daß er gehört hat, daß diese Woche irgendwer irgendwas rein- oder rausschaffen will, und ich soll die Finger von den Flughäfen lassen.«
»Und was soll rein- beziehungsweise rausgehen? Noch mehr M-16?«
»Ich hab' dir doch gesagt, Mann, daß ich nix weiß. Ich erzähl' bloß, was Jackie -«
»Dir erzählt hat.«
»Genau, Mann. Bloß ganz allgemein, weißte?« Der Stinker schaute Dellray mit seinen großen, braunen Augen an. »Wie könnt' ich dich denn anlügen?«
»Verlier bloß nicht die Haltung«, warnte ihn der Agent und deutete mit
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