Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
Fotos schickten. Sie erklärte, sie habe durch das Experiment genau die Details erfahren, die sie für ihr Buch brauchte.
Das nächste Mal traf ich Cornwell im darauf folgenden Februar bei der Jahrestagung der American Academy of Forensic Sciences im texanischen San Antonio. Als Krimiautorin war sie immer auf der Suche nach neuen Methoden, durch die ihre Bücher noch interessanter und realitätsnäher wurden, und die Tagungen der AAFS dienten den Wissenschaftlern häufig als Forum für die Bekanntgabe neuer wissenschaftlicher Fortschritte und forensischer Methoden. Ich traf Cornwell auf einer Galerie über der Lobby des Marriott River Central Hotel, in dem die Konferenz stattfand. Als ich mich nach ihrer Arbeit an dem Buch erkundigte, erwiderte sie, es sei fertig, und sie sei damit sehr zufrieden. Dann dankte sie mir noch einmal für das Experiment und fügte hinzu: »Ich habe ihm den Titel The Body Farm (deutsch Das geheime Abc der Toten ) gegeben.« Da war ich platt.
Als wir 1980 anfingen, die Verwesung von Leichen zu untersuchen, hatte unsere Forschungseinrichtung nicht einmal einen Namen. Schließlich war es nur ein Grundstück von einem knappen Hektar, das wir eingezäunt hatten, um Fleisch fressende Tiere und neugierige Menschen fern zu halten. Ursprünglich war es von einem Maschendrahtzaun umgeben, aber nachdem mehrere Passanten beim Anblick der Leichen traumatische Erlebnisse gehabt hatten, setzten wir zusätzlich einen Sichtschutzzaun aus Holz. Irgendwann - vermutlich zu der Zeit, als wir erste Forschungsergebnisse zu Papier brachten und in Fachzeitschriften wie dem Journal of Forensic Sciences veröffentlichen wollten - dachten wir uns eine wissenschaftlich klingende Bezeichnung aus. Also tauften wir das Ganze auf den Namen Anthropology Research Facility (»anthropologische Forschungseinrichtung«) oder kurz ARF. Wenig später schlug die Bezirksstaatsanwaltschaft vor, sie in Bass Anthropology Research Facility oder BARF umzubenennen. Glücklicherweise setzte dieser Spitzname sich nie durch; stattdessen sprachen Polizei und FBI-AGENTEN immer häufiger von der Body Farm . Wenig später nannte auch ich sie so. Es spricht sich leichter aus und ist viel anschaulicher als »anthropologische Forschungseinrichtung«.
Als Cornwell uns um die Durchführung des Experiments bat, hatte ich keine Ahnung, dass auch das Personal in ihrem Buch vorkommen würde; ich hatte angenommen, sie würde ein paar Forschungsergebnisse verwenden, mehr nicht. Und nun teilte sie mir mit, wir seien die Hauptattraktion. Ich fühlte mich entsetzlich geschmeichelt, und das hatte seinen Grund: In all den Jahren, seit wir die Verwesung erforschten, hatte sich nie jemand um unsere Arbeit geschert - abgesehen vielleicht von ein paar Anthropologen und Insektenforschern, aber das war’s dann auch. Und auf einmal will eine berühmte Autorin den Namen unserer Forschungseinrichtung als Buchtitel verwenden. Was für ein netter Schlag auf die Schulter! Ich erwiderte, ich sei ganz wild darauf, es zu lesen.
Ein paar Monate später kam ein Exemplar mit der Post. Als ich es las, war ich verblüfft. Unsere Forschungseinrichtung wurde darin ebenso in leuchtenden Farben beschrieben wie ihr Leiter »Dr. Lyall Shade«. Es war, als hätte sich der größte Scheinwerfer der Welt auf uns gerichtet: Wochenlang stand das Telefon nicht mehr still. Unsere Institutssekretärinnen wimmelten Dutzende von Reportern ab, die anriefen und sich nach der Telefonnummer der Body Farm erkundigten. Draußen im Freiland hatten wir natürlich kein Telefon, aber ungefähr nach den ersten hundert Anrufen sagte ich den Sekretärinnen im Scherz, sie sollten die Fragesteller auf die Nummer 1-800-I AM DEAD verweisen.
Im Jahr 1996 war The Body Farm einer der größten Krimibestseller aller Zeiten. Auch international wurde das Buch ein großer Erfolg, mit Hunderttausenden verkauften Exemplaren in England, Japan und anderen Ländern. Einer meiner Bekannten fuhr damals regelmäßig geschäftlich nach Japan und erzählte mir, er habe seinen Koffer jedes Mal im Auftrag seiner dortigen Kollegen mit Exemplaren des Buches voll stopfen müssen, wenn er aus Amerika kam.
Es dauerte nicht lange, dann zog eine Karawane von Reportern und Fernsehteams nach Knoxville und zur Body Farm. Auch jetzt, zehn Jahre später, ist sie noch nicht abgerissen. Manche Berichte waren ärgerlich oder zum Lachen, aber andere behandelten das Thema auch mit Sachkenntnis und Respekt.
Aber so schmeichelhaft die
Weitere Kostenlose Bücher