Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt
Sioux zu vereinigen, aber die Arikara widersetzten sich der Koalition und lieferten sich mit der Expedition, die weiter stromaufwärts unterwegs war, sogar ein kurzes Scharmützel. Mehr Glück hatten die Entdecker mit den Mandan. Bei ihnen überwinterte das Corps of Discovery in jenem Jahr; die Entdecker trieben Handel und jagten mit den Männern der Mandan, genossen aber auch die sexuelle Gunst ihrer Frauen. Häufig geschah dies mit ausdrücklicher Unterstützung der Ehemänner, denn die glaubten, ihre Frauen würden den »Zauber« der Weißen empfangen und weitergeben. Leider wurde dabei in der Regel ausschließlich die Syphilis übertragen.
Als die Lewis-Clark-Expedition 1806 den Rückweg stromabwärts antrat, hatte sie erneut einen Zusammenstoß mit den Arikara. Meriwether Lewis schickte 1809 - während seiner Amtszeit als Gouverneur des Territoriums von Louisiana, die in ausgesprochen schlechter Erinnerung blieb - eine Armee aus 500 Weißen und Indianern am Missouri stromaufwärts; sie hatte den Befehl, die Arikara auszulöschen, falls sie sich noch einmal auf einen Kampf einließen.
Aber bei aller Tapferkeit standen die Arikara damals im Begriff, auszusterben. 50 Jahre nach der Expedition von Lewis und Clark war der Stamm so gut wie verschwunden, ausgerottet durch die Sioux, die weißen Siedler und die Pocken. Die Arikara ließen auf der zweiten und dritten Etage der Flussniederungen am Missouri Hunderte von Erdhütten und Tausende von Gräbern zurück.
Im Jahr 1957, als die letzten Spuren der Arikara-Kultur im großen Strom des Fortschritts zu ertrinken drohten, erteilte mir die Smithsonian Institution den Auftrag, in der kurzen noch verbleibenden Zeit bei der Ausgrabung von möglichst vielen Überresten mitzuwirken.
Zu den großen Museen der Smithsonian Institution an der Mall in Washington, D. C., gehört das National Museum of Natural History. In seinem Erdgeschoss, unter der gewaltigen Kuppel, wacht ein riesiger afrikanischer Elefant. Mehrere Etagen darüber, auf den Galerien, die das vierte, fünfte und sechste Stockwerk der Rotunde säumen, befinden sich Schränke, Schubladen und Regale voller Skelette von amerikanischen Ureinwohnern. So war es jedenfalls früher.
Heute haben sich unsere Ansichten über die Ausgrabung von Gräbern und das Sammeln von Knochen grundlegend verändert. Im Jahr 1990 verabschiedete der US-Kongress nach hartnäckiger Lobbyarbeit der Ureinwohnerstämme ein Gesetz, das die Bergung von Skelettresten amerikanischer Ureinwohner verbietet. Darüber hinaus schreibt das Gesetz vor, dass Museen und andere Institutionen solche Skelettteile zurückgeben müssen, wenn der betreffende Stamm heute noch existiert. Dahinter steht ein ganz einfacher Gedanke: Sterbliche Überreste von Toten sind keine Sammler- oder Ausstellungsstücke, sondern heilige Reliquien, die man ihrem Heimatland zurückgeben und mit der gebotenen Ehrfurcht bestatten soll. Aus spiritueller Sicht leuchtet das völlig ein.
Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten jedoch haben Ausgrabungen und Sammlungen wie die der Smithsonian Institution entscheidend dazu beigetragen, die Geschichte, Kultur und Evolution der Menschen im Allgemeinen und der amerikanischen Ureinwohner im Besonderen aufzuklären. Durch Vergleich der Knochen von vielen tausend Menschen konnten die Wissenschaftler ein detailliertes Bild von den ursprünglichen Bewohnern Nordamerikas zeichnen: Heute kennen wir ihre Größe, ihre Körperkraft, ihre Ernährung, ihre durchschnittliche Lebensdauer, die Kindersterblichkeit und vieles andere. Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts gingen solche Knochen in derart großer Zahl bei der Smithsonian Institution ein, dass die Wissenschaftler des Museums sie nicht alle sofort auswerten konnten.
Das war mein Glück.
Die Anthropologie hatte ich für mich während der letzten beiden Jahre meines Grundstudiums an der University of Virginia entdeckt. Für mein Hauptfach, die Psychologie, hatte ich damals die meisten Lehrveranstaltungen abgeschlossen, sodass ich am Ende ein wenig Zeit für Wahlfächer frei hatte. Als ich die Seminarangebote durchlas, blieb mein Blick als erstes bei »Anthropologie« hängen. (Was nicht verwunderlich ist, denn es war eine alphabetische Liste. Hätte ich nicht am Anfang, sondern am Ende zu lesen begonnen, wäre ich vielleicht Zoologe geworden!)
An der University of Virginia gab es eigentlich nicht einmal ein anthropologisches Institut,
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