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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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in denen sich Regen und Sickerwasser sammelten, zu winzigen grünen Inseln in der braunen Prärie. (Nur 120 Millimeter Niederschlag mehr, und die Gegend wäre nicht mit Gras bewachsen, sondern bewaldet gewesen.) Die kleineren grünen Kreise waren die Reste mehrerer hundert Häuser, in denen jeweils bis zu 15 oder 20 Personen gewohnt hatten; die wenigen größeren waren Gemeinschaftsräume oder wurden für Zeremonien benutzt.
    Wie viele Erdhüttendörfer der Arikara, so war auch die Stätte von Sully ungefähr seit dem Jahr 1600 mehrmals besiedelt worden. Wenn alle Bäume in der Umgebung abgeholzt waren, gab man sie auf, und wenn der Wald am Flussufer nachgewachsen war, war sie wieder bewohnt. Aus der Datierung der Funde ergab sich für die Archäologen die Erkenntnis, dass sie mindestens drei Mal besiedelt wurde, bevor man sie um 1750 endgültig aufgab.
    Am Boden waren die Senken der früheren Erdhütten nicht ohne weiteres zu sehen, aber man konnte sie leicht fühlen: Jeder Bauer oder Archäologe, der in einem Last- oder Geländewagen über die Prärie fuhr, spürte ganz deutlich, wie das Fahrzeug ein wenig absackte und dann wieder in die Höhe stieg. An der Sully-Fundstätte gab es so viele derartige Senken, dass eine Fahrt über das Gelände einer Runde auf einer riesigen Achterbahn gleichkam.
    Da das Dorf so groß und so lange bewohnt war, wurde es für die Archäologen zu einer ungeheuren Fundgrube: Man fand Küchenutensilien, landwirtschaftliche Gerätschaften, Waffen, Schmuck und Knochen - Tausende und Abertausende von Knochen, weit mehr, als die wenigen medizinischen Anthropologen der Smithsonian Institution in Washington ordnen und vermessen konnten.
    Das war der Stand der Dinge, als ich auf der Bildfläche erschien, an dem ausgestopften Elefanten unter der Rotunde vorüberging und zum ersten Mal einen Sommer dem Katalogisieren von Knochen widmete. Als kleiner Studienanfänger hatte ich kein Telefon, keine eigenen Lieblingsprojekte, keine Fachaufsätze, die ich schreiben oder begutachten musste, und auch sonst keine der Ablenkungen, mit denen es ein Wissenschaftler von höheren Graden zu tun hat; ich konnte also von morgens bis abends Knochen untersuchen. Und das tat ich auch - einen ganzen Sommer lang und den größten Teil des nächsten. Im Spätsommer 1957 nahm der Leiter des Projekts mich dann mit nach South Dakota.
    Ich war zuvor noch nie westlich des Mississippi gewesen, und ich hatte noch nicht einmal in einem Flugzeug gesessen. Durch die Reise nach South Dakota eröffnete sich mir eine ganz neue Welt. Die Knochen, die dort in der Erde verborgen waren, sollten mich vieles lehren. Manche Lektionen lernte ich auch durch die jungen Studenten, die sich in der Hitze und dem Staub der Flussterrassen am Missouri abmühten. Andere vermittelten mir die Ameisen und Klapperschlangen, die sich mit uns durch die Erde wühlten. Alle diese Lehren sollten mir in den folgenden Jahren nützlich werden, als ich die Geheimnisse, die ich bei den vor Jahrhunderten Verstorbenen gelüftet hatte, zur Aufklärung neuer Mordfälle nutzte.
     
    Als ich im August 1957 in South Dakota ankam, ging der Sommer dort seinem Ende entgegen. Nur noch zwei Wochen, dann wollte man das Projekt abschließen, damit Professoren und Studenten an ihre Hochschulen zurückkehren konnten. Ich hoffte, dass ich Stephenson in diesen beiden kurzen Wochen bei der Beantwortung einer Frage helfen konnte, die ihn schon seit zwei Jahren beschäftigte und frustrierte: Wo hatten die Arikara ihre Toten versteckt?
    Aus der Zahl der ausgegrabenen Erdhütten schloss er, dass die Bevölkerung des Dorfes aus mehreren hundert Menschen bestanden hatte und dass es mehrere Jahrzehnte lang besiedelt war. Aber bisher hatten Stephensons Mitarbeiter nur die Überreste weniger Dutzend Personen gefunden. Wo waren die anderen?
    Manche Indianerstämme, beispielsweise die Sioux, legen die Leichen der Verstorbenen auf erhöhte Gerüste, sodass sie im Freien verwesen. Ein altes Sioux-Skelett findet man deshalb nur selten, denn die Knochen werden häufig von Kojoten, Geiern und anderen Aasverwertern über ein großes Gebiet verstreut. Dagegen gab es bei den Arikara für Bestattungen offensichtlich eine einheitliche Praxis. In der Regel hoben die Frauen das Grab aus, und dazu benutzten sie Schaufeln, die sie aus den Schulterblättern von Bisons hergestellt hatten. Es war harte Arbeit mit primitiven Werkzeugen; um die Aufgabe überhaupt bewältigen zu können, gestalteten sie die

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