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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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Gräber so klein und kompakt wie möglich: Die Grube war rund und nur einen knappen Meter tief - oder noch kleiner, wenn es sich um ein Kind oder eine Frau handelte -, und der Leichnam wurde in einer gekrümmten Embryonalhaltung mit zur Brust gezogenen Beinen und gekreuzten Armen hineingelegt. Anschließend füllte man die Grube auf und bedeckte sie mit Ästen, Baumstämmen oder Gebüsch, um Aasfresser abzuhalten; auf das Holz kamen Erde und Gras.
    Im August dieses zweiten Sommers war Stephensons Frustration groß. Einerseits stellten die aufgefundenen menschlichen Überreste keine ausreichende Erklärung für die Bevölkerungszahl des Dorfes dar, andererseits konnte man aus ihnen aber auch keine ausreichenden Schlüsse über Leben und Tod der Arikara ziehen. Stephenson war nicht dumm: Er wusste genau, dass es irgendwo in der Nähe einen Arikara-Friedhof geben musste. Aber wenn wir ihn nicht bald fanden, hatten wir unsere Chance vertan.
    Bei archäologischen Grabungen geht man nach Planquadraten vor: Das Gebiet wird in Quadrate von eineinhalb mal eineinhalb Metern eingeteilt, von denen man dann eine dünne Erdschicht nach der anderen abträgt. Die Quadrate werden nummeriert, und wenn man sich dann bei den Grabungen von einem Quadrat zum nächsten vorarbeitet, wird genau protokolliert, in welchem Quadrat und wo innerhalb des Quadrates - in horizontaler und vertikaler Richtung - Fundstücke entdeckt werden. Diese Methode ist ordentlich, genau und zum Verrücktwerden langsam - manchmal braucht man für ein Quadrat eine Woche oder mehr. Im Laufe eines ganzen Sommers gräbt man dann unter Umständen nur eine Fläche mit einer Kantenlänge von zwölf bis 15 Metern aus. Wir mussten in viel weniger Zeit ein viel größeres Gebiet untersuchen. Stephenson übertrug mir die Leitung einer Gruppe von zehn Studenten und drängte mich, die Toten der Arikara bis zum Monatsende zu finden.
    In South Dakota ist es im August sengend heiß, und die Prärie ist ein riesiges Gebiet. Um mit der Suche schnell voranzukommen, brauchten wir eine kleine Armee von Helfern. Und wie sich herausstellt, hatten wir eine sehr große Armee von sehr kleinen Helfern: die Ameisen, die zu Milliarden in der Prärie ihre Gänge gruben.
    Den Boden der großen Ebenen bezeichnet man als Löss. Der Begriff hängt mit dem Wort »lose« zusammen. Löss ist so fein wie Mehl und wird bei Trockenheit zu Staub. Gibt man jedoch Wasser hinzu, verändert er sich völlig. Nasser Löss ist vielleicht das Glitschigste, was es auf der Erde gibt, und wenn er über nassem Schiefer liegt - dem vermutlich zweitglitschigsten Material der Welt -, wird die Sache wirklich interessant: Als wären die Gesetze der Physik außer Kraft gesetzt, verschwinden Reibungskräfte (und damit der Halt für Autoreifen) praktisch völlig. Das war der Grund, warum der arme Bob Stephenson sich so verspätet hatte, als er mich am ersten Tag abholen wollte.
    Löss ist ein idealer Untergrund für Ameisen. Er ist weich, man kann leicht darin graben, aber er hält auch gut zusammen; wenn eine Arbeiterameise darin einen Tunnel gebaut hat, kann sie ziemlich sicher sein, dass dieser Hohlraum in nächster Zeit nicht in sich zusammenstürzen wird.
    Noch besser als jungfräulicher Löss ist aus der Sicht unserer fleißigen Ameisen ein Löss, der bereits aufgewühlt und gelockert wurde - zum Beispiel weil Menschen darin ein Grab geschaufelt und wieder aufgefüllt haben. Das ist schön, hier gräbt es sich leicht , denkt die Ameise, wenn sie sich durch eine Grabstätte wühlt. Aber Moment mal - was ist denn das hier? Wenn sie etwas Großes findet, das sie nicht bewegen kann, gräbt sie sich darum herum. Kann sie es dagegen wegschleppen, zerrt sie es an die Oberfläche und schiebt es ins Freie.
    Der Abfall des einen Gräbers ist der Schatz des anderen. An den ersten Tagen meines Aufenthalts in South Dakota kroch ich häufig in gebückter Haltung durch das kurze Gras und Buschwerk der Prärie. Die meisten Ameisenhaufen bestanden nur aus aufgeworfenem Löss mit ein paar untergemischten kleinen Kieselsteinen. Aber hin und wieder fand ich auch etwas anderes. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich winzige Fingerknochen, verwitterte Fußknochen und - besonders verblüffend - leuchtend bunte Farbflecken: blaue Glasperlen, wie sie vor 200 Jahren von den Kaufleuten und Indianern nicht nur für Schmuckstücke, sondern auch als Währung verwendet wurden. Als wir unmittelbar unter solchen Ameisenhügeln zu graben begannen,

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