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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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fanden wir in nur 30 Zentimetern Tiefe die verrotteten hölzernen Abdeckungen von Gräbern. Bingo! Wir durchkämmten das Gelände von dem Dorf aus sternförmig in alle Richtungen und hielten fest, wo die Ameisen solche winzigen Grabkennzeichnungen in besonders viel versprechender Dichte angebracht hatten. Dann gruben wir entlang von Linien, die von dem eigentlichen Dorf ausgingen, probeweise einzelne Quadrate aus, die aber nicht mehr nebeneinander lagen, sondern jeweils einen Abstand von mindestens eineinhalb Meter hatten, manchmal aber auch sechs oder sogar zehn Meter vom vorherigen Quadrat entfernt waren.
    Diese letzte, hektische Anstrengung war fast zu viel für die Mitarbeiter. Aber als wir fertig waren, wussten wir, dass wir einen riesigen Friedhof der Arikara gefunden hatten. Schon in unseren Reihen von Probequadraten hatten wir Dutzende von Gräbern gefunden; danach zu urteilen, musste es hier insgesamt Hunderte von Begräbnisstätten geben.
    Aber jetzt wurde die Zeit knapp. Mit den Ausgrabungen mussten wir uns bis zum nächsten Sommer gedulden.
     
     
    Ich war den fleißigen Ameisen von South Dakota zutiefst dankbar und bin es bis heute geblieben.
    Gegenüber den Klapperschlangen hege ich keine solchen Gefühle. Im Gegenteil: Wenn ich etwas fürchtete, als der Sommer 1959 nahte, dann waren es diese blöden Klapperschlangen.
    Die Prärie ist für Schlangen ein idealer Lebensraum. Es gibt dort eine Fülle von Mäusen, Kaninchen, Vögeln und anderen kleinen Beutetieren. Wie die Ameisen, so können auch die Schlangen leicht Tunnel durch den Boden graben. Deshalb lebt in der Prärie schon von vornherein ein dichter Bestand von Klapperschlangen. Hinzu kommt der Druck durch den schrumpfenden Lebensraum: Seit 1957 füllte sich der Lake Oahe, und die Flussniederungen verschwanden zunehmend im Wasser. Wie nicht anders zu erwarten, zogen die Klapperschlangen in höher gelegenes Gelände - auf die Terrassen, wo eine Meute geistesabwesender Anthropologen im Gras herumkroch, in Gräbern stocherte und blind aus Gruben heraus nach einer Maurerkelle oder einer Bürste griff.
    Prärieklapperschlangen sind für Klapperschlangen relativ klein. Im Gegensatz zur Diamantklapperschlange, die bis auf zwei Meter heranwachsen kann und so dick wie das Handgelenk eines Totengräbers wird, sind die Prärieklapperschlangen kaum einmal länger als einen Meter. Aber sie sind ekelhafte kleine Teufel und neigen dazu, ohne große Umstände anzugreifen. Das, so erkannte ich, war auch für uns eine gute Strategie.
    Als Wissenschaftler weiß ich, dass die Klapperschlangen eine wichtige ökologische Nische besetzen: Sie sind ein unentbehrliches Glied der Nahrungskette, die wichtigste Raubtierart, die verhindert, dass Mäuse und andere Nagetiere in der Prärie überhand nehmen. Auf der Vernunftebene begreife ich das vollkommen. Aber auf der Ebene von Instinkt und Gefühl habe ich Angst vor den verdammten Viechern. Vielleicht sollte ich es lieber nicht eingestehen, aber ich war immer davon überzeugt, dass nur eine tote Klapperschlange eine gute Klapperschlange ist. Wenn mir ein lebendes Exemplar begegnet, neige ich zu der Haltung: »Die Prärie ist nicht groß genug für uns beide.« Wenig später stand ich in dem Ruf, die schnellste Schaufel im ganzen Westen zu führen.
    Zu den morgendlichen Ritualen der Anthropologen gehört das Schärfen der Schaufeln. Eine scharfe Schaufel dringt viel besser in den Boden ein als eine stumpfe. Auch eine Schlange zerschneidet sie viel besser. Jeden Morgen ließen wir eine Feile herumgehen und schärften unsere Gerätschaften, wetzten Scharten aus, die das Gestein hinterlassen hatte, und schliffen sie dann, bis sie scharf wie ein Rasiermesser waren. Ob eine Schaufel wirklich scharf ist, kann man ganz einfach überprüfen: Schneidet sie die Haare vom Unterarm? Ich nahm mir nicht immer die Zeit, mein Gesicht einzuseifen und zu rasieren, aber mein Unterarm war jeden Morgen glatt und nackt wie ein Babypopo. Hätte ich für jede Prärieklapperschlange, die ich mit meiner Schaufel erlegte, eine Kerbe in den Griff geschnitten, wäre irgendwann vor lauter Kerben kein Griff mehr übrig geblieben.
    Schlangenliebhaber wären über mein rigoroses Vorgehen sicher entsetzt, aber man muss es im richtigen Zusammenhang betrachten. Nachdem der Stausee anstieg und immer mehr Lebensräume verloren gingen, war die Zahl der Klapperschlangen ohnehin so groß, dass die verbliebenen Flächen sie nicht ernähren konnten. Zweitens - und das

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