Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
Vom Netzwerk:
alle Leichenbewohner sich gleich verhielten, ob sie nun mit bloßem Auge sichtbar oder mikroskopisch klein waren.
    Theoretisch war es ein ganz einfacher Gedanke. In der Praxis steckte er jedoch voller Schwierigkeiten. Unter dem Mikroskop sahen die Gewebeproben aus wie eine Luftaufnahme des Petersplatzes während der Osterpredigt des Papstes: Das Gesichtsfeld war angefüllt mit einer schier unendlichen Fülle ganz unterschiedlicher Einzelwesen.
    Arpad gestand es mir zu jener Zeit nicht, aber er starrte monatelang mit wachsender Verzweiflung ins Mikroskop. Ein riesiges Labor mit vielleicht 50 Mitarbeitern wäre notwendig gewesen, um die Heerscharen von Mikroorganismen zu identifizieren und zurückzuverfolgen, die sich auf seinen Forschungsobjekten tummelten, ihr Gewebe verdauten und Pfützen glibberiger Abfallsubstanzen hinterließen. Dann kam ihm die Erleuchtung: Die Mikroorganismen selbst zu analysieren mochte schwierig sein, aber vielleicht waren nützliche Hinweise ja auch in dem schmierigen Zeug zu finden, das sie zurückließen - in den Nebenprodukten und Abfällen, die bei der Verdauung des weichen Gewebes entstanden.
    Daraufhin sah Arpad sich seine Proben noch einmal an - und dieses Mal achtete er nicht auf die Mikroorganismen selbst, sondern auf die stinkende Brühe, in der sie schwammen. Bei der chemischen Untersuchung stellte sich heraus, dass die Flüssigkeit unter einer verwesenden Leiche und um sie herum aus einer Mischung verschiedener Verbindungen besteht, vorwiegend aus flüchtigen Fettsäuren (die leicht sind und deshalb schnell verdunsten), die durch den Abbau von Fetten und DNA entstehen. Als Arpad die Proben untersuchte, die er im Laufe der Wochen und Monate gesammelt hatte, wurde ihm sehr schnell klar, dass das Mengenverhältnis dieser Verbindungen sich im Laufe der Verwesung einer Leiche stetig verändert. Mit anderen Worten: Eine Probe, die man fünf Tage nach dem Tod aus dem Boden unter der Leiche A entnimmt, unterscheidet sich deutlich von einer Probe, die 50 Tage nach dem Tod ins Labor gebracht wird. Wirklich spannend wurde die Sache, als Arpad feststellte, dass die gleiche Veränderung der Mengenverhältnisse - die gleiche Entwicklung des chemischen Profils -, die er bei der Leiche A festgestellt hatte, auch für die Leiche B und die Leiche C galt.
    Jetzt wusste Arpad, dass er einem einheitlichen wissenschaftlichen Phänomen auf der Spur war, das er quantitativ erfassen und nutzbar machen konnte. Dazu musste er nur die Mengenverhältnisse über einen längeren Zeitraum hinweg messen und anschließend ein Verfahren entwickeln, um an einem Tatort eine Probe zu entnehmen, darin das Mengenverhältnis der flüchtigen Fettsäuren festzustellen, die durchschnittlichen Tagestemperaturen in die Rechnung einzubeziehen und die so gewonnenen Daten mit jenen zu vergleichen, die er an Leichen mit bekanntem Todeszeitpunkt gemessen hatte. Ach ja, und dann musste er noch eine Formel oder Gleichung entwickeln, mit der man die Zeit seit dem Tod ganz einfach berechnen konnte, indem er die Mengenverhältnisse von den Tatorten mit denen zur Übereinstimmung brachte, die er im Laufe seiner zweijährigen, eingehenden Forschungsarbeiten auf der Body Farm gesammelt hatte.
    Das Prinzip ist schwer zu erklären - selbst ich verstehe es als chemischer Laie nur mit Mühe -, aber ein wenig einfacher wird es vielleicht durch eine kleine Analogie. Angenommen, wir wissen, dass Lieschen Müller jeden Morgen zum Frühstück ein Rührei isst; zum Mittagessen streut sie sich manchmal auch ein hart gekochtes, gehacktes Ei über eine Dose Thunfisch; und wenn ihr danach ist, bäckt sie sich abends noch ein paar Kekse mit Schokostreuseln, wobei sie noch einmal zwei Eier verwendet. Wenn wir nun aus irgendeinem Grund in Lieschens Abfalleimer wühlen, müssten wir eigentlich aus dem Zahlenverhältnis von Eierschalen zu Thunfischdosen und Schokostreuseltüten ablesen, wie viele Tage lang sich der Abfall in dem Mülleimer gesammelt hat.
    Nun stellt sich natürlich die Frage: Was hat das alles mit ein paar Knochen - möglicherweise menschlichen Knochen - zu tun, die unter einem Haus in Crossville in Tennessee begraben liegen? Die Antwort: eine ganze Menge - oder jedenfalls hoffte ich das, und deshalb wollte ich sichergehen, dass unsere forensische Einsatztruppe nicht vergaß, Bodenproben mitzubringen.
    Das Haus gehörte einem Mann namens Terry Ramsburg. Aber Terry Ramsburg war nicht da; seit über zwei Jahren hatte ihn niemand mehr zu

Weitere Kostenlose Bücher