Der Knochenmann
nicht mit dem alten Löschenkohl, sondern mit einem Mann ungefähr im Alter von Kaspar Krennek. Aber einen Kopf kleiner und einen halben Meter breiter. Und eine Haut wie ein Reibeisen:
«Brenner.»
Den Krennek hat es ein bißchen geärgert, daß ihn zuerst die resolute Kellnerin so schnell aus der Reserve gelockt hat. Jetzt ist er froh gewesen, daß er wieder seine Bescheidenheit zurückgewonnen hat. Er hat dem Brenner die Hand gegeben, und vor lauter Zurückhaltung ist er nicht einmal dazu gekommen, daß er sich vorstellt, bevor der Brenner sagt: «Sie suchen den Herrn Löschenkohl.»
Dieses Mal hat der Krennek aber nicht korrigiert, und wenn sich sein Vater im Grab umdreht.
«Der Herr Löschenkohl ist heute leider nicht da», sagt der Brenner.
«Meinen Sie den jungen oder den alten?»
«Beide sind nicht da. Der junge ist sowieso nie da. Und der alte ist heute zur Vorsorgeuntersuchung nach Graz gefahren. Er kommt erst morgen wieder.»
Vorsorgeuntersuchung. Der Brenner hat nicht wissen können, wie er den Krennek damit erschreckt hat. Weil der hat seit seiner Kindheit die fixe Idee gehabt, daß er an seinem 40. Geburtstag an Krebs stirbt. Und jetzt schon über 39. Hat er sich natürlich nicht zur Vorsorgeuntersuchung getraut.
Die beiden haben sich an einen Tisch gesetzt, und nach zwei Bier ist es ihnen schon gar nicht mehr richtig aufgefallen, daß sie von allen Leuten im Speisesaal angestarrt worden sind. Und da muß ich wirklich sagen, selten daß ein Kriminalinspektor und ein Privatdetektiv so gut zusammengearbeitet haben.
Der Brenner hat dem Inspektor von der verschwundenen Löschenkohl-Wirtin erzählt, und der Krennek hat dem Brenner erzählt, warum er so dringend ihren Mann sprechen will. Wegen dem Bestechungsskandal, der vor einem halben Jahr die steirische Unterliga erschüttert hat. Wo der junge Löschenkohl einen Feldbacher Stürmer bestochen hat. Ausgerechnet den Ortovic, dem jetzt jemand den Kopf abgeschnitten und in den Ballsack vom FC Klöch gesteckt hat.
Um zehn hat sich der Inspektor auf den Weg nach Hause gemacht. «Wenn Sie den alten Löschenkohl sehen, sagen Sie ihm, daß ich ihn morgen besuchen werde.»
«Morgen treffen Sie ihn sicher», hat der Brenner zum Abschied gesagt.
Er ist noch sitzen geblieben, wie die Kellnerin hinter dem Kaspar Krennek das Gasthaus zugesperrt hat. Sie hat ein grobes Gesicht gehabt, nicht vom Alter, weil so alt ist sie noch nicht gewesen. Einfach kein feines Gesicht, ein grobes. Dabei ist sie ein feiner Mensch gewesen. Aber einen stämmigen Körper, so wie die Berufsfußballer, die ihre Karriere beenden. Dann trainieren sie weniger, essen aber gleich viel, gehen sie natürlich ein bißchen auseinander. Jetzt ist ihr roter Lederrock natürlich eine gewagte Sache gewesen.
Aber das beweist nur wieder einmal, daß man vom Äußeren nicht auf einen Menschen schließen kann. Das einzige, was der Brenner nicht begriffen hat, war: Wo nimmt diese Frau Nacht für Nacht ihre Liebhaber her. Weil was er aus ihrem Zimmer so herübergehört hat – ich möchte es nicht beschreiben, aber jugendfrei ist das nicht gewesen.
«Wo ist der Chef die ganze Zeit?» hat der Brenner sie gefragt.
«Noch nicht zurück von der Gesunden-Untersuchung.»
«Ich meine nicht den Alten. Der Mann von Ihrer Chefin.»
«Aber nicht den Porsche-Pauli.»
Porsche-Pauli. Da hat sich der Brenner wieder gedacht, bin ich froh, daß ich nicht am Land lebe, bekomme ich wenigstens nicht so einen Spitznamen.
«Von mir aus ist jeder mein Chef. Da bin ich nicht so. Als Kellnerin ist sowieso jeder dein Chef. Aber der Porsche-Pauli ist nicht mein Chef.»
«Sie meinen, es ist immer noch der Alte der Chef?»
«Die Chefin ist der Chef. Aber jetzt muß ich schnell meine Frankfurter essen, sonst werden sie mir kalt», sagt die Kellnerin und geht wieder zur Schank hinüber.
«Aber die Chefin ist doch nur die Schwiegertochter», sagt der Brenner, während sie sich auf der Schank ihre Frankfurter herrichtet.
«Und die einzige hier, die so einen Betrieb führen kann», sagt die Kellnerin. «Oder glauben Sie, daß der Porsche-Pauli so einen Betrieb führen kann?»
«Setzen Sie sich doch zu mir herüber mit Ihren Frankfurtern.»
«Wenn es Sie nicht stört», sagt die Kellnerin und kommt mit den dampfenden Wursteln wieder an seinen Tisch. Und den ersten Bissen hat sie fast ausspucken müssen, so heiß sind die gewesen. Aber ein, zwei hastige Kaubewegungen mit offenem Mund und fest hauchen, und schon ist es
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