Der Knochenmönch
nicht in dieser Gegend. Wallraven wollte dorthin, wo mehr Betrieb herrschte, und er hoffte, daß er nicht überfallen wurde.
Er schleppte sich weiter.
Wohin er ging, wußte er nicht. Die Orientierung hatte er verloren, aber er bewegte sich taumelnd auf die Lichtglocke zu, die über dem Häusermeer schwebte.
Manchmal verschwamm die Umgebung vor seinen Augen. Immer wenn das geschah, suchte er Halt an irgendwelchen Wänden oder Mauern.
»Ich will Glück haben!« keuchte er. »Ich will, verdammt noch mal, Glück haben…«
Das hatte er.
Möglicherweise lag es auch an seinem seltsamen Gang, daß ein Fahrer hielt, denn Wallraven hatte seinen rechten Arm angehoben und unfreiwillig gewinkt.
Der Wagen stoppte.
Die Beifahrertür schwang auf, und der Fahrer redete in seiner vorgebeugten Haltung auf Wallraven ein.
»Taxi?«
Er nickte und ging auf den Fiat zu. Steif, als hätte er einen Ladestock verschluckt.
Der Blick des Fahrers musterte die Gestalt von Kopf bis zu den Füßen.
Er sah den Mantel, den Schmutz, ihn störte auch die Haltung, und er zog sich zurück.
»Können Sie überhaupt bezahlen?«
»Si, si…« Aus der Manteltasche holte Wallraven Geldscheine und ließ sie auf den Beifahrersitz flattern. Im Licht der Innenbeleuchtung schaute sich der Taxifahrer die Banknoten an. Es waren nicht nur Lire, sondern auch englische Pfund- und amerikanische Dollarnoten. Das Grinsen des Mannes wurde breit. »Okay, Kumpel, dafür fahre ich dich auch bis in die Hölle.«
Wallraven stieg ein – und riß den Mund auf, als er sich setzte, denn wieder waren Schmerzen durch seinen Rücken geschossen; Er zerrte die Tür zu, wischte über sein Gesicht und verschmierte den Staub noch mehr. »Nicht bis in die Hölle, nur zum Hotel.«
»Welches denn?«
»Hassler.«
Der Fahrer pfiff durch die schmalen Lippen. »Das ist ein Laden«, sagte er und startete…
***
Ich betrat römischen Boden und dachte daran, daß es noch nicht sehr lange her war, daß ich zum letztenmal die Ewige Stadt besucht hatte.
Uns war es gelungen, einen Platz in der nächsten Maschine zu ergattern. Für meinen Vater hatte ich bei Glenda eine Nachricht hinterlassen. Ich wußte genau, daß sich der alte Herr ärgern würde, wenn er mich nicht vorfand, doch darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen. Dieser neue Fall brannte mir unter den Nägeln. Wenn sich das alles bewahrheiten sollte, was uns Father Driscoll erzählt hatte, sah die Zukunft mehr als düster aus.
Für uns war einzig und allein wichtig, daß wir Verginius, den Knochenmönch, stoppten. Aber wie? Und wo fanden wir ihn? Zwei Namen hatten wir. Alberti und Wallraven. Wir hatten diese Namen nicht mehr für uns behalten und sie an Father Ignatius weitergegeben. Der war bei dieser Information beinahe aus den Schuhen gekippt und hatte uns kaum glauben wollen. Ich hatte ihm sehr deutlich klargemacht, daß mir nach irgendwelchen Scherzen nicht zumute war, und er hatte schließlich seine alte Sicherheit wiedergefunden. Von Rom aus wollte ich ihn anrufen. Die Paßkontrolle klappte wunderbar, man nahm auch keinen Anstoß an unserer Waffe, denn wir waren mit den entsprechenden Dokumenten ausgerüstet. Als die Formalitäten erledigt waren, standen wir in der Halle zusammen, und ich suchte nach einem Telefon.
Ich fand eines in der Nähe, von wo aus ich mit meiner Kreditkarte telefonieren konnte. Suko und Driscoll wollten warten. Father Ignatius nahm so schnell ab, als hätte er nur auf meinen Anruf gelauert. »Ihr seid da?«
»Es klappte alles reibungslos.«
»Dann treffen wir uns im Hotel Hassler.«
»Oh, so vornehm?«
»Nicht freiwillig, John, aber dort sind die beiden abgestiegen. Frag mich nicht, wie ich es herausgefunden habe, aber manchmal ist auch die Polizei froh, der Kurie einen Gefallen tun zu dürfen.«
»Im Hassler also.«
»Ja.«
»Wohnen die beiden noch dort?«
»Ich habe angerufen und erfahren, daß sie nicht ausgecheckt haben. Alles andere später. Ich werde in der Halle auf euch warten. Ist dir das recht, John?«
»Sogar mehr als das.«
Mir ging es besser, als ich wieder zu meinen Freunden zurückging, und die sahen meinem Gesicht an, daß ich Erfolg gehabt hatte. »Du weißt Bescheid«, sagte Suko.
»In der Tat.«
»Wo müssen wir hin?«
»Hotel Hassler. Dort wartet Father Ignatius auf uns.«
»Was ist mit Alberti und Wallraven? Sagen Sie nur, daß die beiden dort abgestiegen sind?« fragte Driscoll.
Ich nickte ihm zu. »Klar, die Herrschaften haben es offenbar gern
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