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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Schinken hergemacht - die erste war, nur halb gegessen, während des Umzugs erkaltet -, klingelte es. Schaeffer, wie immer etwas überpünktlich.
    Schaeffer war Dalmanns Mitarbeiter. Er hatte keinen anderen Namen gefunden. Sekretär wurde der Sache nicht ganz gerecht, Assistent auch nicht, rechte Hand traf auch nicht zu - so war er bei »Mitarbeiter« geblieben. Er arbeitete seit bald zehn Jahren mit, sie duzten sich fast genauso lange. Schaeffer nannte Dalmann Eric, Dalmann nannte Schaeffer Schaeffer.
    Lourdes führte ihn herein. Er war ein großer, schlaksiger Mann von etwas über vierzig mit schmalem Kopf, schütterem blondem Haar und hellblauen Augen. Seit ein paar Jahren trug er anstatt randlosen Brillen Kontaktlinsen, was seinen empfindlichen Augen nicht gut bekam; ständig sah man ihn mit weit nach hinten geneigtem Kopf Tropfen unter die Lider träufeln.
    Schaeffer trug wie Dalmann Freizeitkleidung. Hellblaues Buttondown, dunkelblaue Baumwollhose und einen sorgfältig über die Schultern geschlungenen roten Kaschmirpullover. In der Hand trug er einen schweren Aktenkoffer.
    »Ich wollte draußen essen, aber...« Dalmann deutete mit einer vagen Bewegung nach oben.
    »Die Wetterprognosen sind nicht rosig«, antwortete Schaeffer.
    Dalmann schob einen Bissen nach und deutete auf einen Stuhl, vor dem ein zweites Gedeck stand. Schaeffer setzte sich und stellte den Aktenkoffer neben sich auf den Boden. »Hoffentlich verschifft es uns nicht das Eröffnungsspiel.«
    In einer Woche begann die EURO 08. Für Dalmann der ideale Beziehungspflegeanlass. Schon vor Monaten hatte er dank seiner Kontakte zu UEFA-Kreisen Karten für die wichtigsten Spiele gehortet und verschiedene Events - Essen in exklusiven Restaurants, Nachtclubbesuche etc. - darum herum organisiert beziehungsweise organisieren lassen. Das war zurzeit eine der wichtigsten Aufgaben von Schaeffer und auch der eigentliche Grund für dessen sonntäglichen Besuch.
    Aber im Moment hatte die Palucron Vorrang. Schaeffer hatte schon gefrühstückt, trank Tee und schälte einen Apfel mit einer Sorgfalt, die Dalmann auf die Nerven ging. Er schob ihm eine der Sonntagszeitungen über den Tisch. »Schon gesehen?«
    Schaeffer nickte und biss in einen Apfelschnitz.
    Auch die Sorgfalt, mit der Schaeffer den Apfel kaute, ging Dalmann auf den Wecker. Schaeffer ging Dalmann überhaupt auf den Wecker. Aber er war gut, das musste er ihm lassen. Deswegen ertrug er ihn seit so vielen Jahren. »Kennst du diesen Huber?« So hieß der Journalist, der den Artikel gezeichnet hatte.
    Schaeffer schüttelte so lange den Kopf, bis er den Bissen runtergeschluckt hatte. »Aber seinen Chef.«
    »Den kenne ich auch. Aber bei dem können wir immer noch intervenieren. Vorläufig geht es nur darum, zu wissen, ob in diesem BND-Bericht die Palucron erwähnt ist.«
    »Davon ist auszugehen.«
    Wenn er nur nicht immer so geschwollen reden würde, dachte Dalmann. »Der Bericht liegt dem Blatt >auszugsweise< vor. Wenn in diesem Auszug von der Palucron die Rede wäre, würde es in der Zeitung stehen.«
    Schaeffer behielt den Apfelschnitz, den er zum Mund führen wollte, in der Hand. »Oder sie sparen sich dieses Detail für nächsten Sonntag auf.«
    »Siehst du, Schaeffer, deshalb möchte ich, dass du herausfindest, wie viel die haben.«
    Schaeffer steckte den Apfelschnitz in den Mund und kaute nachdenklich. Schließlich schluckte er, nickte und sagte: »Ich denke, das liegt im Bereich des Machbaren.«
    »Gut«, brummte Dalmann, »dann mach mal.«
    Sie wandten sich der EURO 08 zu.
    Am folgenden Sonntag enthüllte das gleiche Sonntagsblatt weitere Details über die Atomaffäre. Der Name Palucron kam nicht vor.
     

10
    Die Fußball-Europameisterschaft hatte Maravan eine Verschnaufpause verschafft. Das Gastgewerbe brauchte so viel Personal, dass selbst der Bann eines Huwyler kein Anstellungshindernis mehr war. Wenigstens nicht für den Betreiber eines Verpflegungsstandes in der Fanmeile.
    Maravan machte dort den Abwasch. Sein Arbeitsplatz war ein von Küche und Essensausgabe abgetrennter, stickig heißer Zeltteil. Die Pfannen und Warmhalteschalen musste er von Hand schrubben, für den Abwasch von Geschirr und Besteck stand ihm ein Geschirrspüler zur Verfügung. Der war aber so störungsanfällig, dass er immer wieder ausfiel und Maravan zwang, auch diesen Teil von Hand zu erledigen.
    Es war eine eintönige Arbeit. Manchmal hatte er stundenlang kaum etwas zu tun, und dann, wenn ein plötzlicher Ansturm

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