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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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haben alles unter Kontrolle.
    Wenn wir uns zusätzlich zu allen anderen Problemen noch um euch
    beide kümmern müssten, wäre es eher eine Belastung. Wenn ihr also wirklich helfen wollt, schafft die Kunden hier weg – sofort – und seht zu, dass ihr nach Hause verschwindet.»
    Tim, dessen schwarzes Haar schweißnass war, ging zur Bank und
    setzte sich neben Lily. «Sie sollten auch nicht hier bleiben, Mrs.
    Gilbert. Wenn wir gehen müssen, möchte ich, dass Sie mit uns
    kommen.»
    Lily lächelte Tim an und tätschelte seine Hand. «Ihr seid gute
    Jungs. Hört auf, euch zu sorgen. Morgen bringen wir Jack an einen sicheren Ort, dann ist alles wieder normal.»
    Marty sah sie an, als Tim und Jeff die Kunden verabschiedeten.
    «Wie sollen wir das machen?»
    «Was?»
    «Jack an einen sicheren Ort bringen.»
    «Ganz einfach. Du wirst ihn dazu überreden.»
    «Dafür hast du nicht genug Scotch vorrätig.»
    «Paah, ich habe eine ganze Kiste im Keller.»

    KAPITEL 35

    Tim und Jeff brauchten eine halbe Stunde, um alle Kunden zum
    Verlassen der Gewächshäuser und des Geländes der Gärtnerei zu
    überreden. Sie hatten das sehr gut gemacht, sehr professionell,
    dachte Marty, hatten die Ausrede vom Notfall in der Familie benutzt und mit derartigen Trauermienen vorgebracht, dass bei den Kunden
    jede Verärgerung im Keim erstickt worden war. «Tut uns sehr leid, das hören zu müssen», wurde ihnen immer wieder geantwortet,
    während die Leute gehorsam zu ihren Autos gingen. Die meisten
    wussten wahrscheinlich von Moreys Ermordung am Sonntag, und
    die Vorstellung, dass über diese Familie noch mehr Unglück
    hereingebrochen sein könnte, wirkte ernüchternd. Erstaunlich viele fragten, ob sie etwas tun könnten. Das war nicht nur Minnesota-Freundlichkeit, sondern die individuelle Freundlichkeit dieser
    Menschen, und Marty wurde wieder daran erinnert, dass, verglichen mit dem Guten, das die Menschen in die Waagschale zu werfen
    hatten, das Schlechte ein nur verschwindend geringes Gewicht hatte.
    Wenn man sein Leben als Polizist und die meisten seiner Tage auf
    der dunklen Seite verbrachte, war es wohltuend, an dieses
    willkommene Ungleichgewicht erinnert zu werden.
    Bis zur allerletzten Minute versuchten Tim und Jeff noch zu
    bleiben. Sie boten an, die Nacht über auf dem Gelände die Runde zu machen. Auch wenn sie keinen Angriff abwehren könnten, so doch
    immerhin Warnsignale geben. Der Gedanke, dass diese beiden Kids
    im Dunkeln über das Gelände patrouillierten, verursachte Marty
    Gänsehaut, denn das Gefühl, es könnte etwas passieren, wurde von
    Minute zu Minute stärker.
    Es ist das Wetter, dachte er, als er das Tor schloss, nachdem er
    die Jungs endlich in ihre Schrottautos gesetzt und zur Ausfahrt
    hinausgescheucht hatte. Noch konnte man die großen Wolken nicht
    sehen – nur einen weißen Dunstschleier, der wie ein schmieriger
    Film über der Sonne lag. Aber man spürte sie schwer im Brustkorb, so wie die Bleischürze, die einem beim Zahnarzt vor dem Röntgen
    umgelegt wurde. Die Luft war dick und schwer zu atmen, und die
    Blätter hingen schlaff an Bäumen und Büschen herab.
    Marty schaute sich ein letztes Mal auf dem Parkplatz um, sah nur
    seinen Malibu, Jacks Mercedes sowie Beckers Streifenwagen und
    ging dann zufrieden um das große Gewächshaus herum zu den
    Anzuchtbeeten.
    Lily Gilbert hatte seit jeher die geraden Linien gehasst, mit denen die Menschen seit ewigen Zeiten ihre Welt einteilten. Gerade Linien waren herrisch und unversöhnlich, Vorboten der Tyrannei. Reihen
    von Getreide, Reihen von Gebäuden und schlussendlich Reihen von
    Menschen, die stumm, reglos und furchtsam Aufstellung genommen
    hatten.
    Der vordere Teil der Gärtnerei war so angeordnet – das
    Hauptgewächshaus ausgerichtet an der Straße, die Hecke
    ausgerichtet am Gehsteig, weiße Linien auf dem Parkplatz, die den Autos vorschrieben, wo sie zu stehen hatten. Lily hatte sich damit abgefunden, denn so war die Gärtnerei angelegt, als sie sie gekauft hatten. Aber hinten, wo Töpfe und Pflanzen von den Vorbesitzern in Reih und Glied wie untertänige Diener aufgestellt worden waren, da hatte Lily die Ordnung der geraden Linien zerstört und ein fröhliches Chaos geschaffen.
    Wege aus kleinen weißen Kieselsteinen schlängelten sich wie
    schläfrige Trunkenbolde zwischen eingetopften Bäumchen und
    blühenden Sträuchern entlang und schlugen Bögen um die Beete mit
    winterharten Zuchtpflanzen – die «Mutterbeete», wie Morey sie
    genannt

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